„Wie ticken Jugendliche?“

Sinus-Jugendstudie 2024 bietet Einblicke in ihre Lebenswelten

„Wie ticken Jugendliche?“ Antworten darauf sucht die Sinus-Jugendstudie. Im Turnus von vier Jahren untersuchen die Autor*innen mittels qualitativer Befragungen die Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland. Sie nehmen dabei auch in den Blick, was sich am Befinden der jungen Generation verändert hat. Seit 16 Jahren gibt die Studie Aufschluss über die Werte, Interessen und Zukunftseinstellungen der jugendlichen Interviewpartner*innen. Eine Lektion für die Schulen und die Gesellschaft, die sich aus den Erkenntnissen der Jugendstudie 2024 ableiten lässt: Politik hat trotz der allgegenwärtigen Krisen und des Handlungsbedarfs sogar noch an Stellenwert im Leben der Jugendlichen verloren. Dass die Teenager mit der Welt der Politik fremdeln, hat aus Sicht der Befragten auch ihre Ursachen in der Schule.

Schule als Lernort für Demokratie? Die Generation der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland beklagt in der Sinus-Jugendstudie 2024 einen Mangel an politischer Bildung an ihren Schulen. Schule als Lernort für Demokratie? Die Generation der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland beklagt in der Sinus-Jugendstudie 2024 einen Mangel an politischer Bildung an ihren Schulen. Foto: Pixabay/Wokandapix Auch wenn politische Themen einen Teil der Jugendlichen kurzfristig auf den Plan rufen und sich manche für Einzelaktionen wie die Teilnahme an Demonstrationen oder Social-Media-Kampagnen motivieren lassen, so bleibt ein dauerhaftes politisches Engagement die Ausnahme. Für ihre politische Abstinenz machen die Jugendlichen hauptsächlich gefühlte Einflusslosigkeit und geringes politisches Wissen verantwortlich. Nach eigener Auskunft fühlen sich viele politisch wenig kompetent, da sie Schule selten als Lernort für Demokratie wahrnehmen. „Demokratische Bildung und Praxis scheint in den Schulen eine sehr geringe Rolle zu spielen“, schreiben die Autor*innen in ihrer Studie. Neben dem Mangel an politischer Bildung monieren die Jugendlichen fehlende Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer Schule, wo sie Mitbestimmung lernen könnten. Der Wunsch „gehört zu werden“ ist laut der Studienergebnisse aber ausgeprägt.  

Ernster, problembewusster und besorgter denn je

Ein Großteil der Befragten sieht allerdings „die Politik“ in der Verantwortung, die vorliegenden Probleme zu lösen. Jedoch ist das Vertrauen vieler junger Menschen in die Lösungskompetenzen der politischen Akteur*innen im Vergleich zu 2020 merklich weiter geschrumpft. „Sich selbst fühlen viele Jugendliche grundsätzlich machtlos, und sie beklagen, dass die Stimme der Jugend nicht gehört und ernst genommen wird“, heißt es in der Studie weiter.

Dabei sind die Jugendlichen in Anbetracht der multiplen Krisen unserer Zeit ernster, problembewusster und besorgter denn je – so die Studienergebnisse. Am stärksten treiben sie die Sorgen um den Klimawandel und Diskriminierung um. Altruismus und Toleranz sind in der jungen Generation stark ausgeprägt. „Auffällig ist, dass zunehmend deutlicher nicht nur die Toleranz in Bezug auf unterschiedliche Kulturen als Selbstverständlichkeit betont wird, sondern auch die Akzeptanz pluralisierter Lebensformen und Rollenbilder (Diversität). Neu gegenüber den Vorgängerstudien ist, dass die Jugendlichen besonders stark für die Gender-Gerechtigkeit sensibilisiert sind“, fassen die Autor*innen zusammen. Mit Unverständnis und teils offener Entrüstung reagieren die Befragten auf diskriminierendes Verhalten.

Diskriminierung gehört zum Schulalltag

Erfahrungen mit Diskriminierung haben die meisten Jugendlichen schon selbst gemacht oder im unmittelbaren Umfeld direkt beobachtet. „Gerade Diskriminierung gehört für viele zum Alltag, insbesondere in der Schule“, heißt es in der Studie. Nicht selten gehe diese auch von Lehrer*innen aus. „Die Schwelle, sich im Falle von Diskriminierung an das pädagogische Personal der Schule zu wenden, scheint für viele Jugendliche recht hoch“, schreibt das Autorenkollektiv. „Zum einen sind sie unsicher, ob es sich um Diskriminierung handelt. Zum anderen können sie nicht abschätzen, ob sie mit ihrem Problem ernst genommen werden und wie groß die Chancen sind, dass sich die Situation dadurch verbessert und nicht sogar verschlechtert. Nur sehr selten wurde davon berichtet, dass Diskriminierung und Mobbing sowie Strategien im Umgang damit seitens der Lehrkräfte offen thematisiert werden.“

Der „Lernort Schule“ gehörte in der aktuellen Jugendstudie zu den Vertiefungsthemen 2024. Digitalisierung, Chancengleichheit, Diskriminierung, Partizipation im Schulkontext und Wohlfühlen an der Schule (Versagensängste und Schulabsentismus) wurden in dem Kontext in den Fokus gerückt.

Optimismus nicht verloren

Trotz aller Herausforderungen, Sorgen und Krisen gibt es auch Lichtblicke. Die Teenager haben ihren Optimismus und ihre Alltagszufriedenheit nicht verloren. „Viele bewahren sich eine (zweck)optimistische Grundhaltung und schauen für sich persönlich positiv in die Zukunft.“ Vielfältige Krisen begleiten diese Generation seitjeher. Eine Sehnsucht nach vergangenen besseren Zeiten verspürt man daher nicht. Wenn auch nicht enthusiastisch, so sind die 14- bis 17-Jährigen zufrieden mit ihrem Alltag und erhoffen sich für ihre Zukunft einen Platz in der Mitte der Gesellschaft – die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt, Geborgenheit und Familie ist nach wie vor stark im Trend. „Die Weltsicht der jungen Generation entspricht keineswegs dem Klischee der verwöhnten Jugend, sondern ist von Realismus und Bodenhaftung geprägt“, unterstreichen die Autor*innen.

Die SINUS-Jugendstudie 2024 kann kostenlos als Epub auf den Seiten der Bundeszentrale für Politische Bildung heruntergeladen werden.