Der Koffer mit Handwerkszeug wird immer größer
Heilpädagogik-Pionier*innen am TGB freuen sich über neue Perspektiven
Sie alle haben einen pädagogischen Background. Sie haben als Erzieher*innen oder Heilerziehungspfleger*innen gearbeitet. Und sie alle sind in ihrer beruflichen Praxis auf Herausforderungen gestoßen, für die ihnen das fachliche Rüstzeug fehlte. Und sie in ihrem Anspruch, allen Kindern gerecht zu werden, an die eigenen Grenzen brachte. Jetzt sitzen sie gemeinsam im Klassenraum von Barbara Altemeier, die am Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg (TGB) die ersten Studierenden durch den neuen Bildungsgang Heilpädagogik leitet. Sie sind inzwischen Feuer und Flamme – für den Beruf und für die Weiterbildung am TGB. Jetzt eint sie eine Vision: Sie möchten in ihren künftigen Arbeitsfeldern etwas anstoßen und für Menschen mit besonderen Bedarfen einstehen.
Pionier*innen am TGB: Barbara Altemeier (rechts) und ihre Klasse haben sich im ersten Durchlauf des neuen Ausbildungsgangs Heilpädagogik zusammen auf die Reise gemacht. Foto: Jana Sudhoff
Als Heilpädagog*innen bekommen sie das Handwerkszeug, um weiter über den Tellerrand zu blicken, als sie dies bei ihrer Tätigkeit als Erzieher*innen und Heilerziehungspfleger*innen zuvor konnten. In ihrer Weiterbildung lernen sie, einen schärferen Blick auf individuelle Bedarfe und Ressourcen zu richten. Ihr Handwerkskoffer wird stetig um Fachwissen, Methoden, Instrumente und rechtliche und medizinische Grundlagen erweitert. In der Praxis hilft das, die Verhaltensweisen der Menschen besser zu verstehen und auf zugrundeliegende Störungsbilder reagieren zu können.
Bereicherung für die Einrichtungen
„Mit dem Bewusstsein für Heilpädagogik können wir eine Bereicherung für die Einrichtungen sein“, sagen die Studierenden, die nach ihrer Weiterbildung diagnostizieren, individuelle Behandlungspläne und Entwicklungsperspektiven erarbeiten und Eltern, aber auch ihre Teamkolleg*innen beraten können. Die heilpädagogische Förderdiagnostik nimmt den Menschen und sein Umfeld in den Blick und sucht nach Anknüpfungspunkten, um Entwicklung zu ermöglichen. „Das erspart den Eltern, dem Kind oder Erwachsenen mit besonderem Bedarf und dem Team viel Stress“, betonen sie den Benefit von Heilpädagog*innen in den Einrichtungen, wo sie Mitarbeitenden durch ihre heilpädagogische Perspektive neue Blickwinkel eröffnen können. „Wir sind zudem das Zahnrad, das verschiedene Institutionen bei Handlungsbedarf miteinander verbindet: beispielsweise die Kita mit der Frühförderstelle oder dem LWL. „Viele Institutionen wissen noch gar nicht, dass sie das Leben mit Heilpädagog*innen leichter machen können“, so die Studierenden.
Sie haben ihrerseits durch ihre Weiterbildung einen Aha-Effekt erlebt: „Wir haben uns die Buntheit des Berufs anfangs nicht vorstellen können.“ Jetzt wissen sie, wie viele neue Arbeitsfelder sich mit der Heilpädagogik eröffnen: zum Beispiel in der Familienhilfe, in Frühförderstellen, Förderschulen, Leitungspositionen, Ämtern bis in die Selbstständigkeit.
Lebendig und interessant
Und der Unterricht bringt immer wieder neue Aha-Momente. „Nach und nach merkt man, dass die einzelnen Inhalte ineinandergreifen und sich in den verschiedenen Fächern verknüpfen“, freuen sich die Studierenden über ein immer tieferes Verständnis der Materie. „Es ist ein lebendiger und interessanter Unterricht“, sagen die angehenden Heilpädagog*innen über die „gelebte Theorie“. Aus dem breiten Spektrum der heilpädagogischen Methoden hat sich das TGB für bewegungsorientierte, für musisch-kreative Verfahren und für Beratungsverfahren als Schwerpunkte entschieden. Mit Ideenreichtum erklären die Lehrkräfte auch abstrakte Unterrichtsinhalte sehr anschaulich, greifbar und kreativ und sorgen damit nicht nur für das nötige Verständnis, sondern auch für viel Heiterkeit. Dass die Lehrer*innen selbst aus der Praxis kommen, macht sich für die Studierenden bezahlt. „Die Lehrer*innen orientieren sich zudem an unseren Fragestellungen und passen Inhalte individuell an“, loben sie weiter. Auch untereinander profitieren die Studierenden von der Multidisziplinarität in ihrer Klasse, denn sie alle bringen berufliche Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern und damit individuelle Blickwinkel mit, die sie jetzt zusammenfließen lassen. Sie sind inzwischen eine eingeschworene Gemeinschaft und genießen die Atmosphäre in der kleinen Lerngruppe. „Sieben Verrückte – eine Mission“, nennen sie sich scherzhaft.
Die Studierenden hoffen, dass sie mit ihrem neuen Wissen als Sprachrohr für Menschen mit Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen fungieren und Veränderungen anstoßen können: Sie möchten auf die Bedarfe dieser Menschen aufmerksam machen und Impulse geben, damit neue Wege eingeschlagen und inklusive Strukturen geschaffen werden können, die etwas verändern.
Digitale Infoveranstaltung
Auch im neuen Schuljahr bietet das TGB eine einjährige vollschulische Weiterbildung zum staatlich anerkannten Heilpädagogen / zur staatlich anerkannten Heilpädagogin an. Wer mit einer Weiterbildung in der Heilpädagogik liebäugelt, der kann sich in die nächste digitale Infoveranstaltung einklinken. Am Dienstag, 25. Februar, um 19.30 Uhr können sich Interessierte über den Bildungsgang, seine Inhalte und Rahmenbedingungen sowie die Finanzierungsmöglichkeit über das Aufstiegs-BAföG informieren. Einwählen kann man sich über diesen Zugangslink.