Den Verfolgten mit Stolpersteinen wieder einen Namen geben
Brakeler Kolping-Auszubildende schweigen nicht
„Ich hatte regelrecht einen Kloß im Hals.“ Berührt zeigte sich eine Brakelerin, die zur Verlegung neuer Stolpersteine – Am Gänseanger 9 und an der Warburger Straße 10 – in Brakel gekommen war. Dass die Aktion zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu einem würdigen Ereignis geworden war, daran hatten rund 15 Kolping-Auszubildende einen großen Anteil. Die Steinverlegung war durch das Kolping-Bildungswerk Brakel (KBBW) im Rahmen einer Projektarbeit organisiert und begleitet worden – unter der Federführung des Heimat- und Museumsvereins Brakel. Viel Lob für das Engagement ihrer Projektteilnehmenden nahmen die Verantwortlichen des KBBW und des Kolping-Berufskollegs Brakel entgegen, das sie gerne an die jungen Menschen weitergaben: „Ihre Vorträge waren eins a. Sie haben einen positiven Eindruck in Brakel hinterlassen.“
Die Projektteilnehmenden des Kolping-Berufsbildungswerks Brakel, gleichzeitig Schüler*innen des Kolping-Berufskollegs Brakel, engagierten sich bei der Verlegung von Stolpersteinen. Fotos: Jana Sudhoff Schmerz beziehungsweise die Angst vor dem Tod zogen sich als Leitmotive durch die Passagen der Gedichte, die die Kolping-Akteur*innen vortrugen: Den „Chor der Geretteten“ von Nelly Sachs widmeten sie der Familie Heineberg, die Am Gänseanger 9 gewohnt hatte. Ihnen – Hugo und Elsa Heineberg und ihren beiden Kindern Kurt und Marga – zum Gedenken wurden vier Steine in den Bürgersteig eingelassen. Die Familie, eine der wohlhabendsten jüdischen Familien in Brakel, hatte vor ihrer Auswanderung zahlreiche Ungerechtigkeiten durch die Nationalsozialisten hinnehmen müssen, wie die Projektgruppe schilderte. Aus „Poem“ von Selma Meerbaum-Eisinger wurde vor dem ehemaligen Haus der Familie Löwi an der Warburger Straße 10 rezitiert. Siegmund und Klara Löwi hatten hier mit ihren Kindern Herbert Siegfried und Ilse ihre Heimat, bevor sie in die USA flohen. Auch an sie erinnern vier Stolpersteine, die Alfons Jochmaring vom Heimat- und Museumsverein Brakel verlegte.
Symbol des Erinnerns und Mahnens
Waren 1874 in Brakel 174 Jüd*innen gemeldet, verzeichnete man 1939 nur 35 jüdische Mitbürger*innen und 1946 nur noch drei, wie Paul Kramer, Vorsitzender des Heimat- und Museumsvereins Brakel, berichtete, der in seinen Ausführungen aus der Geschichte der Brakeler jüdischen Mitbürger*innen erschreckende Fakten beisteuerte. Er schloss mit dem Zitat des Propheten Maleachi: „Haben wir nicht alle einen Vater, hat nicht ein Gott uns erschaffen.“ An den Gedanken knüpfte auch die Kolpinggruppe mit zwei gitarrenbegleiteten Liedvorträgen an: „Hine ma tov“ und „Shalom chaverim“. Eindrucksvoll untermalte die Projektgruppe auch die Kernbotschaft der Steinverlegung mithilfe des Songtextes aus „Stolperstein“ der Musikerin Suli Puschban: „Sie sind die Erinnerung. Wir waren hier! An Menschen, die lebten und waren wie wir…“
„Die Stolpersteine, die wir heute verlegen, sind mehr als nur kleine Messingplatten im Boden. Sie sind ein Symbol des Erinnerns und des Mahnens“, betonte Michael Markus, für die Stolpersteine verantwortlicher Projektleiter im Heimat- und Museumsverein Brakel. „Mögen diese Stolpersteine uns immer daran erinnern, dass wir wachsam bleiben müssen, damit sich solche Verbrechen niemals wiederholen.“
Demokratie schützen und leben
„Darüber zu sprechen, ist unmöglich, darüber zu schweigen, verboten.“ Mit dem Zitat von Elie Wiesel, Friedensnobelpreisträger und Überlebender von Auschwitz und Buchenwald, unterstrich Rita Bockelkamp, Sozialpädagogin am KBBW im Bereich der Ausbildungsbereiche, die die Projektarbeit zusammen mit Tobias Beckmann, Ausbildungsleiter am KBBW, koordiniert hatte: „Wir schweigen nicht." In diesem Sinne demonstrierten die Auszubildenden des KBBW, gleichzeitig Schüler*innen des Kolping-Berufskollegs Brakel, mit ihrem Engagement, dass sie ihre Verantwortung und Pflicht ernst nehmen, die demokratische Freiheit zu tragen und schützen und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenzuwirken. „Uns war wichtig, unsere Vielfalt und unsere Kolping-Haltung, dass stets der Mensch im Mittelpunkt steht, in Brakel zu zeigen“, erklärte Rita Bockelkamp in der Abschlussrunde der Projektarbeit. „Wir sind nicht schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus, aber wir sind verantwortlich, die Erinnerung wach, die Augen offen zu halten und die Demokratie zu schützen und zu leben“, mahnte sie abschließend. Bereits im Vorfeld der Stolpersteinverlegung habe es spannende Diskussionen gegeben. Anhand von Musik, Bildern, Literatur, Fakten und einem Besuch der bereits vorhandenen Stolpersteine in Brakel hatten sich die 15 Projektteilnehmenden mit der Thematik auseinandergesetzt. „Ich bin überrascht über die Offenheit und Bereitschaft der Schüler*innen, sich auf die Thematik einzulassen“, freute sich Rita Bockelkamp. Wie kommen Hass und Extremismus zustande, lautete eine der zentralen Fragestellungen.
„Ich bin richtig stolz auf euch“
„Die Politiker*innen müssen dafür sorgen, dass es den Menschen in Deutschland gut geht, damit keine Menschen an die Macht kommen, weil sie ihnen einfache Lösungen versprechen. Die Menschen sollen aus Überzeugung wählen können, nicht aus Not“, brachte es einer der Schüler im Abschlussgespräch auf den Punkt. „Solange es Menschen gibt wie euch, die das Herz am rechten Fleck haben und sich einsetzen, wird mir nicht bange“, sagte Andreas Tobisch, Schulleiter des Kolping-Berufskollegs Brakel. „Ich bin richtig stolz auf euch.“