Ein Schatz für das spätere Berufsleben
Delbrücker Berufskolleg macht Erzieher*innen über Musiktheater zu Expert*innen
Musiktheater steht bei den angehenden Erzieher*innen am Kolping-Sozial-Berufskolleg Delbrück auf dem Stundenplan. Wie sie dadurch zu Expert*innen für „musisch-ästhetische Bildung“ oder für „Bewegung“ werden, liegt auf der Hand. Doch die Klasse von Musik- und Sozialpädagogiklehrer Robert Raddatz möchte den Beweis antreten, dass Musiktheater noch mehr vermitteln kann. „Mathematische“ und „ökologische Bildung“ und „Körper, Gesundheit und Ernährung“: In diesen Bildungsbereichen möchten die elf Schüler*innen zusätzlich profitieren. „Die Erfahrungen aus dem Musiktheater können ein großer Schatz werden für ihren späteren Berufsalltag“, sagt Raddatz, der im ersten Erzieherausbildungsjahrgang am Delbrücker Berufskolleg mit seinem innovativen Projekt gestartet ist. Ende des Schuljahres möchte der Kurs eine Bühne mit Leben füllen – mit einem 20-minütigen Musical. Ein Sprung ins kalte Wasser – für Schüler*innen und Lehrer.
Mit Gitarrenspiel, Cajón und den Boomwhackers lassen die Schüler*innen und Robert Raddatz ihren Titelsong krachen. Foto: Jana Sudhoff
„Wie motiviere ich eine Gruppe von elf Auszubildenden, ein musikalisches Projekt auf die Bühne zu bringen, ohne zu wissen, wer mit welchen Interessen, Motiven und Vorerfahrungen in die Ausbildung kommt. Singen sie gerne, wollen sie sich auf z. B. Boomwhackers und eine Theaterbühne einlassen? Kann die Gruppe als Team einen gemeinsamen ‚Flow‘ entwickeln?“, fragte sich Robert Raddatz. Seit Wochen schlägt er auf seiner Gitarre die Akkorde an, eine Schülerin entlockt dem Cajón den passenden Rhythmus. Klang und Volumen steuern die anderen mit den Boomwhackers bei – der gemeinsame Flow nimmt Formen an. „Ziemlich gefunkt“ hat es bei der Musikauswahl. Vor allem die motivierende und mitreißende Dynamik nahm das Team für sich ein, als es nach den Hörproben unzähliger Lieder auf „Götter der Ewigkeit“ – Soundtrack des Disney-Zeichentrickfilms „Bärenbrüder“ – stießen. Auch der Text passte zur eigenen Leitidee und musste nur noch angepasst werden.
Ein Musical mit allen Facetten
Das Musical wird die Disney-Heldin Vaiana auf einer Reise begleiten, auf der sie die Geheimnisse des Klimawandels entdeckt. Fürs Drehbuch half ChatGPT auf die Sprünge – angefüttert mit den Begriffen wie Reise, Abenteuer, Tiere, Disney etc. „Daraufhin hat ChatGPT mehrere Szenen ausgespuckt, mit denen wir nicht ganz zufrieden waren und die wir so lange verfeinert haben, bis die erste Szene stand“, erklärt Raddatz. Unter den vorgeschlagenen Charakteren wie Tarzan, Bambi, Arielle und König der Löwen machte Südpazifik-Prinzessin Vaiana das Rennen, die von Geburt an eine besondere Verbindung zum Ozean in sich trägt. Eine passende Protagonistin für das Thema „Müll im Meer“, das der Kurs in Szene setzen möchte. Vaiana wird sich in sechs Musicalakten auf ihrer Insel mit vorbei schwimmendem Müll konfrontiert sehen und sich gemeinsam mit ihren Freunden auf die Suche nach einer Problemlösung begeben. Die große Botschaft: Jeder Mensch kann bei sich selbst anfangen auf die Umwelt zu achten, anstatt darauf zu warten, dass andere aktiv werden.
Jetzt heißt es für die Erzieherauszubildenden Ärmel hochkrempeln: Dialoge müssen geschrieben, Szenen entwickelt und gespielt werden. Freiwillige Bühnenakteur*innen gibt es eine ganze Handvoll. „Meine Vision war Musiktheater. Darüber hinaus war ich für alles offen, auch wenn nur einer auf der Bühne gestanden hätte“, sagt Robert Raddatz, der sich umso mehr freut, dass es auf der Bühne lebhaft werden wird. Und es gibt noch reichlich weitere Aufgaben zu besetzen: die Erzählerrolle und die Verantwortlichen für Maske, Requisiten, Regie, Kostüme und Bühnenbild. „Wir wollen ein Musical mit allen Facetten auf die Bühne bringen“, so Raddatz. „Jetzt muss es noch richtig krachen.“ In den kommenden Monaten wird der Pädagoge mit seinen Musicaldebütant*innen daran arbeiten, auf der Bühne eine Illusion zu erwecken, die die Zuschauer*innen in die Story hineinsaugt und verzaubert.
Über das Erleben in die Reflexion
Offen ist der Musiklehrer dafür, worauf das Musical hinauslaufen wird. „Die Gruppe entscheidet, wann es aufgeführt wird, vor welchem Publikum, wie und wie oft.“ Bis dahin knien sich die angehenden Erzieher*innen fünf Stunden pro Woche in das Musiktheaterprojekt – in Verbindung mit den Bildungsbereichen. Denn schließlich gilt es am Ende, die Erfahrungen aus dem Musical für ihre Expertenbücher auf ihre gewählten Bildungsbereiche zu transferieren. „Über das Erleben in die Reflexion kommen“, ist die spannende Herausforderung des Projekts. Erste Vorstellungen haben die Schüler*innen beispielsweise bereits, wie man durch das Musical auch zum Profi für die mathematische Entwicklung von Kindern werden kann. Denn mathematisches Tun hat auch einen spielerisch-kreativen sowie ästhetischen Charakter. Durch die Raumgestaltung lernt man räumliche Orientierung: Was ist auf der Bühne vorne? Was ist hinten? Geometrische Formen, Figuren und Farben spielen ebenso eine Rolle. „Das handlungsorientierte Projekt deckt fast alle Bildungsbereiche ab“, beschreibt Raddatz. „Handlungswissen, das auch später in den Einrichtungen gefragt ist.“ Allen voran mit musisch-kreativen Qualifikationen könne man später bei Bewerbungen punkten, ist sich Raddatz sicher. Seine Vision: dass das Kolping-Sozial-Berufskolleg Delbrück einmal für seine Schwerpunkte Bewegung und Musik bekannt sein wird.