Über Kehrtwenden zum Traumjob
Marina Bidlingmeier: „Unterrichten bringt mich zum Strahlen“
In der Berufsberatung nach ihrem Abitur hatte sie in einem Punkt eine klare Vorstellung gehabt: „Ich möchte kein Lehramt studieren.“ Doch seit ihrer Feststellungsprüfung im April 2024 ist Marina Bidlingmeier Lehrerin mit Festanstellung und sagt: „Ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen.“ Ihr berufliches Leben schlug die eine oder andere Kehrtwende, bis sie am Kolping-Berufskolleg Gütersloh ins kalte Wasser sprang und erstmals vor einer Klasse stand. „Es war kaltes Wasser, aber es war angenehm kaltes Wasser“, sagt die Quereinsteigerin, die ihren Beruf nicht mehr eintauschen möchte.
Für Marina Bidlingmeier machen die Kolpingstrukturen und die internationale Schülerschaft am Kolping-Berufskolleg Gütersloh den besonderen Reiz beim Unterrichten aus. Ihr Werdegang war alles andere als klassisch: Gestartet hatte die Paderbornerin mit einer Ausbildung als Friseurin. Ihr damaliger Traum: als Visagistin am Theater arbeiten. „Mit dem Tag der Gesellenprüfung hat sich meine Karriere als Friseurin erledigt“, sagt Marina Bidlingmeier, die auf dem zweiten Bildungsweg an den Universitäten in Paderborn und Bielefeld lieber neue Herausforderungen suchte. Mit dem Master of Arts in Geschichtswissenschaften und einem Bachelor in englischer und amerikanischer Literatur hätte sie sich gut vorstellen können, in einem Museum oder für eine Stiftung zu arbeiten. Aber ohne Doktortitel musste sie „ihre romantischen Vorstellungen bald aufgeben“. Beim Kreis Paderborn fand sie zur Überbrückung als Praktikumsakquisiteurin eine ehrenamtliche Beschäftigung und half neuzugewanderten Jugendlichen, einen Praktikumsplatz zu finden.
Begeistert von der Internationalität
Bis ihre Koordinatorin sie auf die Idee brachte, sich bei Kolping als Quereinsteigerin zu bewerben. „Natürlich kannte ich Kolping, aber ich wusste nicht, dass auch Schulen dazugehören“, gesteht Marina Bidlingmeier. Für ihre Fächerkombination war damals keine Stelle frei, doch dann spielte ihr der Zufall in die Karten. Eine größere Gruppe junger Männer kam 2017 aus Guinea nach Gütersloh. Das Schuljahr hatte längst begonnen, doch die Klasse musste beschult werden. Marina Bidlingmeier sprang in dieser Klasse spontan als Lehrkraft für „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) ins kalte Wasser – und fing Feuer.
„Es ist gut gelaufen“, erinnert sich die 41-Jährige, die für zwei Jahre die DaF-Stelle am Gütersloher Berufskolleg innehatte, bevor sie ihre Stelle in ihren Regelfächern Politik und Englisch antrat. „Vor meiner Kolpingkarriere hätte ich nicht gedacht, dass mir das Unterrichten Spaß macht“, gesteht die Paderbornerin. Doch heute sagt sie: „Sobald die Tür zum Klassenraum zu ist und ich die Schüler*innen sehe, kann ich einen Schalter umlegen und bin ich am Strahlen.“ Begeistert ist die 41-Jährige von der Dynamik in den Klassen. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr die Klassenleitung vor zwei Jahren über eine 16-köpfige Schülergruppe. „Die Schüler*innen kamen aus elf Nationen. Wo hat man sonst so viel Vielfalt?“, schwärmt die Lehrerin von der Internationalität und dem „wild Durcheinandergewürfelten“. „Sie haben alle ein gemeinsames Ziel: den Spracherwerb. Sie wachsen als Gruppe zusammen und helfen sich gegenseitig. Zusammen feiert man die kleinen und großen Erfolge – das macht mir so viel Spaß.“
Kolpingsystem macht zusätzlichen Reiz aus
Einen Anteil an ihrer Freude an ihrem Beruf hat auch das Kolpingsystem. „Mir gefallen die persönlicheren Strukturen eines kleinen Berufskollegs und die kleinen Klassen, das bringt eine andere Bindung zu den Schüler*innen mit sich.“ Das möchte sie nicht missen: „Wenn man mir vorschlagen würde, an eine Regelschule zu gehen, würde ich das nicht machen.“ Daher war für Marina Bidlingmeier klar, dass sie über die Feststellungsprüfung eine unbefristete Lehrerlaubnis erlangen wollte. „Das war natürlich auch mit viel Aufregung verbunden“, erinnert sie sich an die Prüfung im April. Doch die schlaflosen Nächte erwiesen sich als unbegründet. „Im Endeffekt war es ein gelungener Tag.“ Jetzt freut sie sich über das Gefühl angekommen zu sein. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen und würde gerne bis zur Rente unterrichten.“
Weitere Porträts aus der Serie:
Jacqueline Wolter
Stephanie Schmiedel
Tilman Bäcker
Oksana Lang
Christiane Leck
Daria Wiese
Raphaela Beineke