Förderschüler*innen tanken viel Selbstbewusstsein
Zirkustheater mit Artistengruppe aus Tansania löst Begeisterung aus
„Wir haben schon so manches Fest gefeiert, aber so etwas wie heute habe ich noch nicht erlebt.“ Nicht nur Schulleiter Dietmar Overbeck war die Begeisterung über die mitreißende Vorstellung ins Gesicht geschrieben. „Das war der Wahnsinn“ war auch aus den Stuhlreihen der Gäste der Adolph-Kolping-Förderschule Brakel zu hören. Zum Abschluss ihrer viertägigen Projektwoche hatte die Schule Eltern, Geschwisterkinder, Förderer und alle Interessierten in die Turnhalle des Brakeler Schulgeländes eingeladen. Elf altersgemischte Schülergruppen hatten unter dem Motto „Interkulturelle Begegnungen“ Ausflüge etwa in die Küche, ins Kunsthandwerk, in die Welt der Spiele und der Sprachen und in die Batikwerkstatt unternommen und ihre Ergebnisse an diesem Vormittag präsentiert. Das Highlight, bei dem manchem zwischenzeitlich der Atem stockte: das Zirkustheater, das eine Artistengruppe aus Tansania zusammen mit vier Projektgruppen einstudiert hatte.
Beeindruckende Tanz- und Akrobatikeinlagen – damit begeisterten sowohl die Schüler*innen der Adolph-Kolping-Förderschule Brakel als auch ihre Gäste, die Artistengruppe der KCC aus Tansania, ihr Publikum. Fotos Jana Sudhoff
Da stand eine Schülerin mit ausgebreiteten Armen on top eines zweistöckigen Artistenturms. Da schwebten zwei Schülerinnen wie ein Kettenkarussell um eine zwei Mann hohe Formation. Da stemmten zwei Akrobaten eine Schülerin hoch, die in luftiger Höhe eine Brücke spannte – mit ihren Händen und Füßen lediglich abgestützt auf den hochgereckten Händen der beiden Männer. Eine halbe Stunde lang zeigten 50 Schüler*innen in ihrer Tanz- und Akrobatenshow, wie sehr sie in dieser Woche über sich hinausgewachsen sind. Belohnt wurden sie von Begeisterungspfiffen, lautem Applaus und Wow-Rufen aus dem Publikum. „Mich hat mehr als nur überrascht, was unsere Schüler*innen können, wenn wir anders mit ihnen arbeiten als nur mit dem ABC und dem Einmaleins“, sprach Dietmar Overbeck den Akteur*innen ein „Riesenkompliment“ aus.
Projekt kitzelt Talente heraus
„Bei jedem Kind gibt es Talente, sie müssen nur rausgekitzelt werden“, sagte Nassoro Mkwesso, Direktor und Mitbegründer der „Kigamboni Community Charity“ (KCC). Und das war die Mission des Artisten und seines Teams in der Projektwoche. Die tansanischen Gäste hatten die 50 Schüler*innen, die sich für das Zirkustheater gemeldet hatten, für ihre Performance in afrikanischem Tanz und Akrobatik vorbereitet und dabei viel Potenzial zutage gefördert. Das anfängliche „Das traue ich mich nicht“ war schnell vergessen. Die Kinder haben innerhalb kürzester Zeit Vertrauen in ihre Trainer*innen und vor allen in sich selbst entwickelt. „Sie lassen sich auf Dinge ein, auf die sie sich im Schulalltag nicht einlassen oder die sie sich nicht zutrauen“, freut sich Lehrerin Stefanie Leiden, die die Kooperation mit der KCC initiiert hatte. Finanziert wurde diese von den Lions Clubs Brakel und Bad Driburg sowie vom Förderverein der Schule.
Vor 15 Jahren hatte Stefanie Leiden im Rahmen einer Studienreise drei Monate lang in der Organisation in Tansania unterrichtet. „Es hat mich damals total umgehauen“, berichtete sie dem Publikum. Die KCC engagiert sich in ihrer Heimat für sozial benachteiligte Gruppen, vor allem für Kinder und Jugendliche, mit einer breiten Projektpalette – mit einem Waisenhaus, einem Kindergarten, Unterricht, einem Gesundheitsprogramm, in der Talentförderung etc. Auch die Akrobat*innen und Tänzer *innen, die mit nach Deutschland gereist sind, sind ehemalige Straßenkinder, die vom KCC aufgefangen und gefördert wurden.
Aus der langjährigen Erfahrung seiner Talentförderung weiß Nassoro Mkwesso: „Es geht nicht um Performance, sondern um Freude, Selbstvertrauen, Körpergefühl, Teambuilding und Kooperationsfähigkeit.“ Viel Freude hat es dem tansanischen Team gemacht, die tolle Entwicklung der Kinder mitzuerleben. Ein Fortschritt, der Nassoro Mkwesso besonders ans Herz ging: ein Junge, der zu Beginn des Projekts nicht stillsitzen konnte. „Seitdem er seine Rolle in der Formation hatte, war er wie verwandelt“, freute sich der KCC-Direktor.
„Unglaubliche Performance“
Nicht nur auf die Schüler*innen hatte die Artistik aus Afrika eine enorme Wirkung, sondern auch aufs Publikum. Dem bot das KCC-Team bei seiner eigenen Showeinlage beeindruckende afrikanische Tanz- und Akrobatikdarbietungen. „Was ihr performt habt, ist unglaublich. Fantastisch, was ihr geboten habt“, schwärmte Dietmar Overbeck vom Auftritt der Artist*innen aus Tansania.
Flankiert wurden das Zirkustheater von den Präsentationen der anderen Projektgruppen der Schule. In der Küche waren internationale Leckereien – unter anderem selbstgemachte Dubai-Schokolade – gezaubert worden. Eine Kreativgruppe hatte eine bunte Kollektion T-Shirts, Kissen, Taschen, Tücher und Dekorationen gebatikt. Andere Schüler*innen hatten afrikanische, farbintensive Motive bastlerisch in Wandbilder verwandelt. Welche kulturelle Vielfalt an der Förderschule herrscht, hatte eine weitere Schülergruppe in Szene gesetzt. Memory, Murmelbahnen, Knete oder eine Piñata – international verbreitete Spiele lassen sich auch selbstherstellen, wie die Spielegruppen bewiesen. Dass in ihnen Talente für die spanische Sprache schlummern, demonstrierten die Schüler*innen der Gruppe „Sprache digital“ mit einer selbstgeschriebenen und selbstübersetzten Geschichte. Den Amazonas nach Brakel holte die Gruppe „Reise um die Welt“, die das Amazonasgebiet in und am Bachlauf „nachbaute.“ „Alle Projekte haben sehr gute Ergebnisse erreicht“, lobte Sonja Echterling, stellvertretende Schulleiterin. „Bei der Präsentation traten diese allerdings etwas durch die Theater-/Artistenaufführung in den Hintergrund.“