„Wir müssen aufrichten statt unterrichten"

PERMA.teach möchte Türen für Positive Psychologie öffnen

Eva Jambor und Ingrid Teufel haben ein gemeinsames Ziel, ihr großes „Everest-Ziel“: Die beiden Bildungsinnovatorinnen möchten mit ihrem Projekt „PERMA.teach“ die Positive Psychologie „elegant, geschmeidig und unterschwellig“ in die Schulen einfließen lassen. Dafür bedürfe es nichts Großartiges, sondern kleiner Rituale und Gewohnheiten, die man einfach einbetten kann – um das Aufblühen und Wohlbefinden zu fördern, die psychosoziale Gesundheit zu stärken und Lernleistungen zu steigern.

Als Handreichung und Wegweiser fungiert das Akronym „PERMA-Hand“. Jeder Finger steht für eine der fünf Säulen für Aufblühen und Wohlbefinden Als Handreichung und Wegweiser fungiert das Akronym „PERMA-Hand“. Jeder Finger steht für eine der fünf Säulen für Aufblühen und Wohlbefinden. Illustration: IFTE - www.permateach.at Damit Schule zur „PERMAnenten Wohfühlzone“ werden kann, machen sie Lehrkräfte in ihren Fortbildungen zu PERMA.teach-Botschafter*innen und stellen auf ihrer Website kostenlos Materialien mit Impulsen, Anregungen, Challenges und Handreichungen zur Verfügung. Ganz nach ihrer Devise: „Wir Lehrer dürfen nicht unterrichten. Wir müssen aufrichten.“

Die Motivation für ihr Engagement: „Wir wollen Türöffner sein, damit die Leute neugierig auf mehr werden“, sagt Ingrid Teufel, Pädagogische Leitung bei PERMA. „Wir möchten bei so vielen Lehrenden wie möglich das PERMA-Modell aus der Positiven Psychologie als Rahmenmodell und Handlungsprinzip verankern“, sagt Eva Jambor, PERMA-Projektleitung. „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass die evidenzbasierten Interventionen und Methoden aus der Positiven Psychologie einen Weg in die Schule finden. Fächerübergreifend. In allen Stunden, wo auch immer es Platz findet. Dazu bedarf es keiner eigenen Stunden im Stundenplan“, erklärt Eva Jambor.  

Zufällige Gesten der Freundlichkeit

Im Online-Event „Schule als PERMAnente Wohlfühlzone?!“ auf der Plattform Action for Happiness verrät Ingrid Teufel ein paar ihrer Rituale, Interventionen und Ideentools. Bei ihren Schüler*innen gut angekommen sind die Freundlichkeitsfilme. Das Prinzip beruht auf dem Übertragungseffekt. Eine mögliche Szenerie: Das Wühlen im Portemonnaie fördert nicht genügend Kleingeld für die Parkuhr zutage. Unverhofft hilft ein Passant mit den nötigen Münzen aus. Nach dem unerwarteten Glücksgefühl steigt die eigene Hilfsbereitschaft und führt zu einer weiteren zufälligen Geste der Freundlichkeit, beispielsweise, indem man jemandem beim Entladen sperriger Fracht aus dem Kofferraum hilft oder einem Straßenbauarbeiter Wasser anbietet. Auf Grundlage entsprechender Youtube-Videos ( https://www.youtube.com/watch?v=nwAYpLVyeFU) schreiben die Schüler*innen ein eigenes Script, das sie verfilmen. Eine Anleitung, wie man eine Freundlichkeitskette startet, findet man auch auf der Website von PERMA unter „Erste PERMA-Schritte (ab 10 bis 100+)“, wo es zu jedem der fünf PERMA-Finger (siehe Infokasten) eine Reihe von Challenges gibt.

Zufällige Akte der Freundlichkeit zu kultivieren, hat sich die „Random acts of kindness“-Foundation ( https://www.randomactsofkindness.org/) auf die Fahnen geschrieben. Sie stellt kostenlose Ressourcen für Freundlichkeit zur Verfügung. Interessierte finden hier Freundlichkeitsideen, tägliche Freundlichkeitszitate, einen Lehrplan für Freundlichkeit in der Schule und einiges mehr.

Ans Herz legt Ingrid Teufel den Lehrenden „Knietzschke, den kleinsten Philosophen der Welt“. Er teilt in Filmen große Gedanken zu allen wichtigen Themen des Lebens wie beispielsweise Geduld, Dankbarkeit, Mobbing, Gerechtigkeit, das kleine Glück, das große Glück, das geteilte Glück & Co. „In dreieinhalb Minuten auf den Punkt gebracht. Das verwende ich bei Großen und bei Kindern.“

„Bitte Kleinigkeiten angewöhnen“

Für Groß und Klein, auch als Übung zuhause, bieten sich die „Glücksbohnen“ an, wie Eva Jambor vorstellte. Man lässt tagsüber, immer wenn man etwas Schönes erlebt, Bohnen wandern – von einer in die andere Hosentasche. Um die Negativitätsverzerrung auszutricksen und den Blick auf positive Emotionen zu schärfen. Fest in ihren Alltag implementiert hat Ingrid Teufel kleine Gewohnheiten: „Immer wenn ich durch irgendeine Tür trete, lächle ich. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Bitte Kleinigkeiten angewöhnen“, ermutigt sie. Dazu gehören kleine pädagogische Tricks wie Embodiment-Übungen, Danke-Plakate, die Achtsamkeits-Blume, „One door opens“- Interventionen, Growth-Mindset-Übungen („The power of yet“ von Carol Dweck) oder beispielsweise auch, Erfolge zu würdigen und zu feiern – es hat viele kleine Rituale der Freude in ihren Klassen gegeben – und stets eine „Stärken-Lupe“ zur Hand zu haben. „Die habe ich immer eingesetzt, wenn ich vom Weg abgekommen war und nur das Negative bei den Kindern gesehen habe. Catch them being good“, betont Ingrid Teufel, die auch das Stärkenmodell von Seligman und Petersen sowie die Interpretationshilfe ( www.charakterstaerken.org) empfiehlt. „Ich mache auch ganz viel mit Phantasiereisen und Improvisationstheater.“ Weitere Impulse und Anregungen zum Aufblühen hat sie in ihren Lernprogrammen zusammengestellt. „Fast unmerklich und auf leisen Sohlen schleicht so Positivität ins Klassenzimmer“, heißt es im Vorwort.

PERMA-Materialien und Fortbildungen

Die ganzheitlichen Lernprogramme „Jedes Kind stärken: Band 1“ und „Jugend stärken: Band 1“, das Trainingsprogramm „Warum Achtsamkeit?“ sowie die Ideensammlung „Erste PERMA-Schritte (ab Volksschulalter)“ und „Erste PERMA-Schritte (ab 10 bis 100+)“ kann man kostenfrei herunterladen auf der PERMA.teach-Website. Die Aufbaubände können kostenpflichtig bestellt werden unter: http://www.ifte.at (Publikationen).

Die Fortbildung zu PERMA-teach-Botschafter*innen sind online, kostenfrei und auch von Deutschland aus möglich. Sie umfassen zwei Module, ein Stärken-Café sowie die PERMA.Post. Das erste Modul findet am 5. Oktober 2023 und das zweite Modul am 29. November 2023, jeweils 15 bis 18 Uhr, statt. Zwischen Januar und März 2024 wird das Stärken-Café angeboten (16 bis 18 Uhr).

Auch unabhängig von der Fortbildung kann die PERMA.Post bestellt werden. „Mit der PERMA.Post wollen wir dich dabei unterstützen, PERMA-Rituale in deinem Gehirn zu verankern und sie zu PERMAnenten Gewohnheiten zu machen, die für dich selbstverständlich werden – in jedem Lebensbereich“, heißt es auf der Website. Acht Wochen (PERMA.Post 1) beziehungsweise sechs Wochen (PERMA.Post 2) lang erhalten die Abonnent*innen im Abstand von drei Tagen per Mail Impulse zum Festigen der PERMA-Rituale in Alltag und Schule.

Die PERMA-Hand

Als Handreichung und Wegweiser fungiert das Akronym „PERMA-Hand“. Jeder Finger steht für eine der fünf Säulen für Aufblühen und Wohlbefinden, basierend auf dem PERMA-Modell von Martin Seligman, Vater der Positiven Psychologie, und seinem Team.

P (Positive Emotions): Was weckt in mir selbst positive Emotionen? Wie kann ich Kinder und Jugendliche dabei begleiten, dass sie herausfinden, was in ihnen positive Emotionen weckt?

E (Engagement): Was sind meine Stärken? Wofür setze ich sie engagiert ein? Wie kann ich Kinder unterstützen, ihre Stärken auszuleben? „Nur wenn wir unsere Stärken einsetzen, können wir auch in unseren Flow kommen, der dann gelingt, wenn es uns leichtfällt und wenn wir Raum und Zeit vergessen“, sagt Projektleiterin Eva Jambor.

R (Relationships): Was ist mir wichtig in einer Beziehung und was kann ich beitragen, damit eine Beziehung positiv wird? Wie kann ich anderen dabei helfen positive Beziehungen aufzubauen?

M (Meaning): Was ist mein Sinn im Leben? Welche Werte habe ich? Wofür möchte ich mich einsetzen? Wie kann ich die Schüler*innen anleiten, Motivation für ihr Handeln zu finden?

A (Accomplishment): Welche Ziele habe ich? Welche Schritte gehe ich? Wie ermögliche ich Kindern, dass sie sich realistische Ziele stecken, damit sie Erfolgserlebnisse feiern können?

Die PERMA-Hand soll daran erinnern, PERMA in jedem Fach und Kontext einzubeziehen.

 

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