Lehrkräften Glück beibringen

Wie man sein subjektives Wohlbefinden steigern kann

„Glück als Schulfach“ ist derzeit in vieler Munde. „Bevor Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler beibringen können, wie man glücklich ist, wäre es gut, wenn sie selber glücklich wären“, sagt Diplom-Psychologe Tobias Rahm von der Technischen Universität Braunschweig in einem Interview mit „Action for Happiness“. Er hat daher ein Glückstraining für Lehrkräfte entwickelt. Die Haupterkenntnis für seine Teilnehmenden: Man hat mehr Einfluss auf sein subjektives Wohlbefinden, als normalerweise bewusst ist. Wie man eine Aufwärtsspirale in Gang setzen kann, beschreibt er in seiner wissenschaftlichen Veröffentlichung „Lehrkräften Glück beibringen – Entwicklung und Evaluation eines Trainings zum Thema subjektives Wohlbefinden“.

Einer wichtigen Person im Leben einen Dankesbrief zu schreiben, gehört zu den Interventionen, mit denen den Lehrkräften Glück beigebracht werden soll. Einer wichtigen Person im Leben einen Dankesbrief zu schreiben, gehört zu den Interventionen, mit denen den Lehrkräften Glück beigebracht werden soll. Foto: Jana Sudhoff

Schüler*innen profitieren vom Effekt der emotionalen Ansteckung

Diese Veränderungen möchte er bewirken: mehr positive und weniger negative Emotionen, ein verbessertes subjektives Wohlbefinden (SWB), Steigerung des eigenen Aufblühens, Rückgang der emotionalen Erschöpfung und des wahrgenommenen Stresses. Denn: Ein hohes Maß an Wohlbefinden kommt nicht nur der Gesundheit zugute. Positive und negative Emotionen von Lehrkräften würden auch die Ergebnisse der Schüler*innen erheblich beeinflussen, so die Expertenmeinung. „Von besonderer Bedeutung für den Unterricht ist der Effekt der ‚emotionalen Ansteckung‘, der Übertragung häufiger positiver Emotionen von Lehrern auf ihre Schüler“, fasst Tobias Rahm zusammen. Ein hohes SWB-Niveau soll sich positiv auf die Lehr-Lern-Prozesse in Schulen auswirken. „Die Häufigkeit positiver Emotionen korrespondiert auch mit der häufigen Anwendung effektiver Lehrstrategien,“ zitiert Rahm die Forschermeinungen.

Um das SWB zu verbessern, hat Tobias Rahm ein Training für die schulische Weiterbildung konzipiert, das auf Informationsvermittlung im Sinne der Positiven Psychologie, angeleitete Reflexion und Übungen fußt. Folgende positive psychologische Interventionen wurden als Übungen eingesetzt:

Das Emotionstagebuch

Die Lehrkräfte wurden gebeten, die Intensität von zehn positiven und zehn negativen Emotionen zu bewerten. Zudem galt es, jeden Tag eine Situation aufzuschreiben, die zu positiven Emotionen und eine, die zu negativen Emotionen führte. Man lernt, dass die eigenen Emotionen variabel sind. 

Drei gute Dinge

Die Teilnehmenden notieren jeden Abend drei gute Erlebnisse des Tages, die positive Emotionen hervorgerufen haben und geben an, was sie selbst zu diesen Erlebnissen beigetragen haben. Man lernt, das Bewusstsein für positive Erfahrungen zu schärfen und so die Häufigkeit positiver Emotionen zu verbessern sowie einen günstigen Attributionsstil (konsistentes, individuelles Muster der Zuschreibung von Ursachen und Gründen für Erfahrungen und Ereignisse unseres Lebens) zu trainieren, indem positive Erfahrungen auf interne Ursachen zurückgeführt werden.

Dankesbrief

Die Teilnehmenden schreiben einen Brief, in dem sie sich ausdrücklich bei einer wichtigen Person in ihrem Leben bedanken. Um die positive Wirkung der Übung zu steigern, kann man den Brief der adressierten Person persönlich vorlesen. Man lernt, sich die schönen Dinge in Erinnerung zu rufen, den Blick darauf zu richten, was wirklich wichtig ist, das Band zu seinen Mitmenschen zu intensivieren, wertzuschätzen, was andere für einen getan haben.

Genusserlebnis/„Happiness Day“

In welches Genusserlebnis würde man investieren, wenn man zwei Stunden Zeit hat? Aufgabe war, eine dieser Ideen für einen „Happiness Day“ detailliert zu planen und durchzuführen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit positive Emotionen hervorrufen würde. Man lernt, welche Aktivitäten zuverlässig ein Wohlbefinden hervorrufen.

Das subjektive Wohlbefinden kann zudem durch verbessertes Zeitmanagement und verbesserte Emotionsregulation gesteigert werden.

Emotionsregulationsprogramme

Trainings nutzen zum Beispiel Psychoedukation, Muskelentspannung, Atementspannung, vorurteilsfreie Wahrnehmung von Emotionen, Akzeptanz und Toleranz von Emotionen, mitfühlende Selbstunterstützung, Identifizierung der Ursachen der eigenen emotionalen Reaktion etc.  

Zeitmanagementtraining 

Dabei geht es insbesondere darum, wohlfühlfördernde Prioritäten bei der Auswahl und Gestaltung von Aufgaben zu setzen, „Nein“ zu Zusatzaufgaben zu sagen und perfektionistische Ansprüche zu hinterfragen. Man lernt, dass man mehr Einfluss auf die Auswahl und Reihenfolge der Aktivitäten hat, als einem bewusst ist, und in welchen Situationen weniger Perfektionismus ratsam wäre.

Die abschließende Aufgabe des Glückstrainings für Lehrkräfte: ein persönliches Glücksprojekt für die Zukunft entwerfen und Verhalten, Lebensmottos und weitere Umsetzungsabsichten für einen konkreten Aktionsplan festlegen.

Bewusste Aufmerksamkeitssteuerung

Der Effekt der Glückstrainingsmaßnahmen: aktuelle Gewohnheiten werden hinterfragt, individuelles Erleben und Verhalten verändert. Die Interventionen animieren, positive Emotionen bewusster, häufiger und intensiver zu erleben und so eine selbstverstärkende Aufwärtsspirale in Gang zu setzen, betont Tobias Rahm. „Durch bewusste Aufmerksamkeitssteuerung können wir beeinflussen, wie viele positive Dinge wir in unserer Umgebung wahrnehmen“, so der Diplom-Psychologe.

Offene Glückstrainings bietet die Technische Universität Braunschweig nicht an. Eintragen kann man sich jedoch auf einer „Interessiertenliste“. Informationen gibt es dann, wenn es wieder Glückstrainings, anderes Wissenswertes zur Glücksforschung und zur Positiven Psychologie gibt oder neue Forschungsprojekte anstehen.

 

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