Vom Fehler- zum Schatzsuchenden
Das Curriculum „Schulfach Glückskompetenz“ bietet spielerisch-kreative Handreichungen
„Flop-Top“ – wenn der Ausruf im Unterricht fällt, wissen die Schüler*innen, die im „Schulfach Glückskompetenz“ nach dem Curriculum von Carina Mathes unterrichtet werden, was passiert ist. Dann wurde im Klassenraum gejammert oder ein Vorwurf geäußert. Das Code-Wort ist der Appell an den*die Betroffene*n, den Problemsatz in einen Wunsch umzuformulieren. „Perspektivenwechsel“ lautet das Thema des Unterrichtsbausteins. Davon gibt es 16 in dem zweibändigen Leitfaden für den Glücksunterricht, den Carina Mathes für den Unterricht an Grundschulen konzipiert hat.
Die Komplimente der Mitschüler*innen rieseln wie eine warme Dusche beim gleichnamigen Glücksimpuls an einem herab. Er dient den Lehrkräften als Handreichung, Methoden- und Materialtool, um Basiswissen im Bereich der Glückskompetenz spielerisch-kreativ zu vermitteln. Die Ideenschmiede bietet viele Möglichkeiten, wie man Glücksgewohnheiten auch im Kleinen einbauen kann – nicht nur in der Grundschule.
Ein Quickstart zur Glückskompetenz
Wer prompt mit einfachen Interventionen starten möchte, für den gibt es Tipps für sofort umsetzbare Glücksimpulse – mit „Boosterwirkung“, wie Carina Mathes sagt. Verraten werden einige davon auch im Online-Interview mit Action for Happiness „Glückskompetenz - Ab morgen auch an deiner Schule?!“:
Welches Potenzial eine morgendliche Begrüßung hat, haben die Autoren Brooks und Goldstein herausgefunden, wie Mathes in dem Interview erzählt. Sie wollten wissen, was die Lehrkräfte jeden Morgen tun könnten, damit sich die Schüler*innen in der Schule willkommen fühlen. So befragten sie 300 Lernende im Alter von fünf bis 18 Jahren. Die häufigste Antwort: „Mich mit meinem Namen begrüßen und lächeln.“ Wie man Kinder und Jugendliche begrüßen kann, da ist der Kreativität keine Grenzen gesetzt, wie dieser Link verrät.
Vom Fehlersuchenden zum Schatzsuchenden wird man mithilfe von Stärke-Kärtchen. Dafür sollte man für jeden Schützling stets eine Karteikarte griffbereit haben. Zwischendurch, immer wenn der Lehrkraft etwas Positives zu einem Kind oder Jugendlichen auffällt, macht sie sich eine kurze Notiz. Somit entsteht im Laufe des Schuljahres eine ganze Sammlung: mit positiven Eigenschaften, Talenten, Stärken, schönen Situationen. Wenn man erst den Blick auf das Positive ausgerichtet hat, staunt man oft, was da alles zusammenkommt – auch bei den als schwierig empfundenen Schüler*innen. Die Stärke-Kärtchen können zum Ende eines Schuljahres an die Schüler*innen ausgeteilt werden – schön gestaltet und zusammen mit ein paar anderen Nettigkeiten in ein kleines Säckchen, Glücksglas oder Ähnliches verpackt. „Der Effekt ist gewaltig“, sagt die Glücksexpertin. Ein Kick fürs Selbstbewusstsein, wenn man später einmal einen Durchhänger-Tag hat.
Eine Schatzsucherbrille aufsetzen
Auch die Kinder und Jugendlichen können selbst zu Schatzsuchenden werden – bei der „Warmen Dusche“: Ein Lernender darf sich in die Mitte des Sitzkreises setzen und bekommt von den Mitschüler*innen Komplimente gemacht: „Ich mag an dir, dass…“, „Du kannst stolz auf dich sein, weil…“, „Schön, dass du in meiner Klasse bist, weil…“. „Die Komplimente rieseln wie bei einer warmen Dusche an einem herunter“, sagt Carina Mathes. Mit doppeltem Effekt: Die Schüler*innen erleben Wertschätzung und Anerkennung. Und auf der anderen Seite trainieren sie sich selbst darin, den Blick auf das Positive zu lenken. Anlässe für die „Warme Dusche“: für Geburtstagskinder, als Ritual in einem Morgenkreis oder als Feedback fürs Wochenende oder nach Bedarf, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher niedergeschlagen ist.
Komplimente können die Schüler*innen auch per „Post“ bekommen. Briefumschläge voller Überraschungen gibt es bei der Komplimente-Kärtchen-Übung, eine Kombination aus Warmer Dusche und Stärke-Kärtchen. Jeder*jede personalisiert einen Briefumschlag mit Namen und hängt ihn in der Klasse auf, damit im Laufe der Zeit jeder*jede Klassenkamerad*in ein Komplimente-Kärtchen hineinstecken kann. Wenn alle Kärtchen geschrieben und alle Briefumschläge gefüllt sind, ist der Gänsehautmoment gekommen und die Kinder dürfen die warmen Worte ihrer Mitschüler*innen lesen. Die Kärtchen können zu einem kleinen Komplimente-Heftchen zusammengeheftet werden – als Komplimente to go.
Ein Symbol für schöne Momente
Gegen schlechte Laune und Tage, an denen man schwarzsieht, hilft die Geschichte vom „gelben Rucksack“. Ausgehend von der Erzählung kann der gelbe Rucksack auch als Ritual in der Schule Einzug halten, beispielsweise als Dankbarkeitsritual am Freitag kurz vor Schulschluss. Gemeinsam lässt man die Woche – sowohl den Schulalltag als auch das Privatleben – Revue passieren: Was hat mich beeindruckt? Was ist gut gelaufen? Was war schön? Die Zettelchen kommen in den Rucksack. So füllt sich dieser im Laufe der Zeit mit vielen Glücksmomenten. Zu bestimmten Zeiten im Jahr, zum Beispiel in der Weihnachtszeit, können die ganzen schönen Dinge noch einmal durchgelesen werden.
Schöne Erlebnisse, die im Rucksack landen, können sich auch im Unterricht ergeben, wenn Arbeitsaufträge nicht nur einen Selbstzweck erfüllen, sondern auf Glücksmomente ausgerichtet sind. Beispielsweise können Gedichte, im Deutschunterricht geschrieben, als Grußkarten ansprechend gestaltet und bei einem gemeinsamen Stadtspaziergang an Passanten verschenkt werden. Auch selbst geschriebene Rezepte, Werkstücke oder Ähnliches können eine Freude machen. Und bestimmt ergibt sich dabei der eine oder andere Gesprächsanlass, um über Schulprojekte zu plaudern. Und wenn schon Briefe schreiben auf dem Lehrplan des Deutschunterrichts steht, warum nicht Dankesbriefe an die Mitschüler*innen formulieren?
Ein bunter Werkzeugkoffer an Ideen und Impulsen
Einen Rucksack schnüren mit Ressourcen und Handwerkszeug ist das langfristige Ziel des „Schulfachs Glückskompetenz“: Wie kann ich eine Stresskette durchbrechen und angemessen handeln? Wie schaffe ich es, mein Verhalten zu regulieren? Wie trainiert man eine optimistische Sichtweise? Wie reflektiert man seine Sprachmuster? Wie agiert man bewusster im Umgang mit seinen Mitmenschen? Wie kommt man in einen kreativen Flow-Zustand? So lauten unter anderem die Fragestellungen des Curriculums. Nicht nur diejenigen, die ein „Schulfach Glückskompetenz“ in ihrer Schule einführen und dafür einen komplett ausgearbeiteten Leitfaden haben möchten, werden in dem Doppelband fündig. Laut Autorin bietet dieser einen bunten Werkzeugkoffer an Ideen und Impulsen, die man bei Bedarf rauspicken und integrieren kann – in den meisten Fällen auch losgelöst von den Unterrichtbausteinen. Wie beispielsweise den Unterrichtseinstieg ins Thema „Empathie“: Lachen ist ansteckend, wie das Video „Lachen in der U-Bahn“ zeigt.
Davon werden sich nicht nur Grundschüler*innen anstecken lassen. „Vieles ist auf höhere Altersklassen übertragbar“, da die Fragen universell sind. „Nur die Antworten werden je nach Alter mit anderen Inhalten gefüllt sein“, ergänzt Mathes. „Es kann ganz breit gedacht werden: Ich kann mir bestimmte Übungen auch in Vereinen oder in der Offenen Ganztagsschule vorstellen oder bei Arbeitsgemeinschaften, in Teambesprechungen und Lehrerkonferenzen. Für jeden ist ein Baustein dabei. Jeder noch so kleine Schritt, der Richtung ‚Glückskompetenz‘ gegangen wird, ist bedeutsam. In der Summe werden aus vielen kleinen Schritte ein gemeinsamer Weg in die richtige Richtung“, betont Mathes in ihrem Youtube-Video „Schulfach Glückskompetenz - die 5 häufigsten Fragen".
Inspiration gibt es auch in der Facebook-Gruppe „Schulfach Glückskompetenz nach Carina Mathes“.
Das „Schulfach Glückskompetenz“
kombiniert das Wissen und die Erkenntnisse sowohl aus der Resilienzforschung als auch der Glücks- und Gehirnforschung. Viele Übungen basieren auf den Ansätzen der Positiven Psychologie und haben das Ziel, die Charakterstärken zu erkennen, zu trainieren und zu kultivieren, die die Lebenszufriedenheit fördern. Das Schulfach soll dazu beitragen, die Schüler*innen zu resilienten und authentischen Personen heranreifen zu lassen. Sie sollen lernen, Verantwortung für ihr Glücksempfinden zu übernehmen. Mit Glückskompetenz ist die Fähigkeit gemeint, emotional stabil zu bleiben, egal, was das Leben zu bieten hat. „Eine Schule, die dem Wohlbefinden des Einzelnen und der Gemeinschaft einen deutlichen Stellenwert einräumt, trägt dazu bei, ein Betriebsklima zu entwickeln, in dem Schülerinnen und Schüler ihre natürliche Lust am Lernen wiederentdecken und erleben können“, schreibt die Autorin Carina Mathes in ihrem Werk.
Das „Curriculum Schulfach Glückskompetenz – Unterrichtsbausteine und Methodik/Teil 1“ umfasst das Hintergrundwissen, eine Schritt-für-Schritt-Erläuterung der Themenbausteine und Tipps zur Gestaltung der Unterrichtseinheit.
Im „Curriculum Schulfach Glückskompetenz – Materialsammlung/Teil 2“ findet man alle Geschichten, Arbeitsblätter und Kopiervorlagen
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