Wie passen Schule und Glück zusammen?
Bildung von morgen in einer Schule zum Aufblühen
„Ich will, dass Glück in allen Schulen ein Thema ist und unterrichtet wird“, sagt Diplom-Psychologe Tobias Rahm von der Technischen Universität Braunschweig, wo er zu den Schwerpunkten Positive Psychologie, Wohlbefinden in der Schule und Glücksforschung forscht. Was wünschen wir für unsere Kinder, fragt er seine Studierende in seinen Seminaren: Gesundheit, Resilienz, Zufriedenheit, Glück, Freude am Leben, Selbstbewusstsein, psychischer Wohlstand lauten dann die Antworten. „Was wäre denn, wenn alle wüssten, was förderlich für ein langfristig glücklich-gelingendes Leben ist und Schulen fokussiert Kompetenzen dafür vermitteln“, stellte der Glücksforscher in einem Online-Event mit Action for Happiness Deutschland zum Thema „Positive Education – Warum Glück und Schule zusammengehören!“ zur Diskussion.
Schule soll zum Flourishing („Aufblühen“) beitragen, lautet die Vision von Glücksforscher Tobias Rahm. Foto: Jana Sudhoff „Ich möchte betonen, dass es sich nicht um esoterische Konzepte handelt“, so Rahm, sondern was man unter Glück und Lebenskompetenz versteht, habe die Wissenschaft operationalisiert und messbar gemacht. „Es sind Dinge, die lehrbar und erlernbar sind.“ Forschungsergebnisse legen nah, dass glückliche Menschen unter anderem produktiver, kreativer, flexibler und gesünder sind, führte der Dozent aus, der sich in seinem Promotionsprojekt der Förderung von Wohlbefinden in der Schule widmet. Wesentliches Ziel der Positiven Psychologie sei, zum Flourishing („Aufblühen“) der Menschen beizutragen, damit sie ihr Wohlbefinden steigern, ihre Potenziale entfalten und persönlich wachsen können. Menschen, die sich im Aufblühzustand befinden, hätten eine positive Lebenseinstellung, eine bessere Gesundheit und die Lebenserwartung steige. Der Wohlfühlmodus habe aber auch positive Auswirkungen auf die Motivation, das Engagement, die Problemlösungskompetenzen und Lernmechanismen. Produktivität und Innovation würden erhöht. „Das Denken wird flexibler und kreativer. Prosozialeres Verhalten wird an den Tag gelegt“, fasste Tobias Rahm in seinem Online-Vortrag zusammen.
„Schulen zum Aufblühen“ ist die Vision
Wenn man Wohlbefinden in der Schule lehrt, geht das zu Lasten der akademischen Leistung? Alejandro Adler (University of Pennsylvania) hat in seiner Doktorarbeit dieser Befürchtung den ersten Wind aus den Segeln genommen. Er hat in Bhutan (18 Schulen) ein Glücks-Curriculum rund um Achtsamkeit, Empathie, Selbstakzeptanz, Problemlösen, Entscheidungsfindung, kreatives und kritisches Denken, Emotionsregulation, Beziehungen und Kommunikation implementiert, das 15 Monate unterrichtet wurde. „Die Leistungen derer, die vorher ‚glücklich‘ gemacht wurden, wurden in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen signifikant besser“, skizzierte Rahm im Interview Ergebnisse aus der Studie, die später auf Mexiko (70 Schulen) und Peru (785 Schulen) ausgeweitet wurde. „Glücksunterricht kann sich also positiv auf akademische Leistung auswirken.“
Wie bekommt man „Schulen zum Aufblühen“? Glücksunterricht einführen, Glücksthemen und -fragestellungen in den Fachunterricht einfließen lassen, Projekttage, Glücks-AGs oder Glücksübungen als Mini-Interventionen im Unterricht, regte der Wissenschaftler an. „Meine Tochter lief drei Tage später noch mit einem Grinsen durch die Gegend“, plauderte Rahm aus dem Nähkästchen aus dem Grundschulalltag seiner Tochter, in dem eine „Glückslehrerin“ mit den Schüler*innen die „Lob-Dusche“ kultiviert hatte. „Solche Effekte brauchen wir mehr in Schule“, fordert der Psychologe. „Wir sind eine Schule zum Wohlfühlen“ – das sollte tief in das Leitbild, Schulprogramm und Schulkultur eingegraben werden“, wünscht sich der Glücksforscher.
Curriculum für 13 Jahre Glücksunterricht
Ein weltweites Leuchtturmprojekt ist die Geelong Grammar School in Australien. Hier gibt es jede Woche zwei Stunden Glücksunterricht – von der Vorschule bis zum Abschlussjahrgang. „Die haben ein Curriculum für 13 Jahre Glücksunterricht“, so Rahm im Interview mit Action for Happiness. Der Benefit: Die Teilnehmer*innen der „Positive Education“ zeigen Verbesserungen in psychischer und physischer Gesundheit, Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit, sozialen Beziehungen, Dankbarkeit, Ausdauer, Resilienz, Selbstakzeptanz und Sicherheitsgefühl. Das übergeordnete Ziel: Die Schüler sollen aufblühen. Der grundlegende Inhalt des Curriculums: Charakterstärken aufbauen und weg von der Defizitorientierung. Die Schlagworte der sechs Domänen lauten beispielsweise: Wie entstehen Gefühle und wie kann ich sie verändern? (positive Emotionen). Wie kann ich in Tätigkeiten aufgehen, wie komme ich in Flow-Momente? (positives Engagement). Welche realistischen Ziele kann ich verfolgen, an denen ich wachsen kann? (positive Leistung). Wer bin ich und wer will ich sein und wofür will ich einstehen in meinem Leben? (Sinnerfüllung).
Auch in Deutschland gibt es Initiativen: Das Fritz-Schubert-Institut in Heidelberg bietet Ausbildungslehrgänge für das „Schulfach Glück“. Einen Leitfaden für den Glücksunterricht an Grundschulen gibt es von Carina Mathes, die zwei Bücher zum Thema „Curriculum – Schulfach Glückskompetenz“ auf den Markt gebracht hat. „Deutschlands Glücksministerin“ Gina Schöler bietet mit „Connect“ einen eintägigen Workshop (kostenlos) für Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen an, um sie als Vermittler:innen des gesunden Glücks zu schulen. Das Programm „Klasse 2000“ geht ebenfalls in die Richtung von „Positive Education“. Prof. Dr. Ulrike Lichtinger hat auf ihrem Youtube-Kanal „Positive Bildung: Wohlbefinden und Leistung als Ziel guter Schulen?“ unter anderem fünf Videos als Impulse für Lehrer*innen hochgeladen.
„Alles hilft. Jedes zusätzliche Lächeln, jeder Stolzmoment, jedes Nichtbeschämen bei unseren Schüler*innen hilft“, ermutigt Tobias Rahm Lehrer*innen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Ich fände es schön, wenn da mehr passiert.“
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