„Jeder Tag ist eine neue Entscheidung“

Musiktheaterpädagogin lud Start-off-Jugendliche zur Sinnsuche ein

„Ein Hoch auf das Werden“ – mit dieser Botschaft schloss sich der Vorhang bei der Aufführung der Jugendoper „Ich/Ich/Ich“ des Jungen Theaters des Landestheaters Detmold. Wer bin ich? Warum bin ich so, wie ich bin? Und wer will ich sein? – dies waren nicht nur im Theatersaal die zentralen Fragen. So wie die Figuren in dem Stück den Puzzleteilen ihrer Identitäten auf den Grund gingen, lud auch Musiktheaterpädagogin Philine Korkisch die Start-off-Jugendlichen in der Nachbereitung des Stücks mit Übungen zur Selbstfindung ein. Die Jugendlichen hatten das Theaterstück in Detmold gesehen und führten zwei Tage später auf dem Kolping Gutshof in Großeneder mit der Expertin „philosophische Gespräche“ darüber, wie das Theaterstück in ihnen nachhallte. 

Musiktheaterpädagogin Philine Korkisch (links) diskutierte mit den Jugendlichen auf dem Gutshof, wie sich die zentralen Fragen aus der Jugendoper auf ihr eigenes Leben übertragen lassen. Musiktheaterpädagogin Philine Korkisch (links) diskutierte mit den Jugendlichen auf dem Gutshof, wie sich die zentralen Fragen aus der Jugendoper auf ihr eigenes Leben übertragen lassen. Foto: Jana Sudhoff

Zur Auffrischung hatte Philine Korkisch Fotos aus der Jugendoper mitgebracht und regte zu einem ehrlichen Feedback an. Das fiel gemischt aus: Anfangs löste das Stück mehrheitlich Verwirrung aus, um dann abgelöst zu werden von Interesse bei einem Teil der Jugendlichen und Langeweile bei einem anderen. „Es freut mich, wenn ein angeregtes Gespräch entsteht. Das kann auch gerne kritisch sein“, sagte Philine Korkisch, die besonders das „Warum“ hinter den Urteilen spannend fand. Allen voran die Operngesangelemente bei „Ich/Ich/Ich“ hatten einen Eindruck als „laut“ oder „unverständlich“ oder „cool gemacht“ hinterlassen.

„Man ist nie fertig“

Neben der musiktheatralischen Wirkung hatten die Jugendlichen auch Botschaften für sich mitgenommen: „Social Media ist nicht so wichtig, wie man denkt. Ich muss nicht anderen gefallen, sondern kann mich selbst definieren.“ Zur Vertiefung dieser Erkenntnisse hatte Philine Korkisch einige Übungen und Gesprächsanlässe vorbereitet. So sammelte sie beispielsweise mit den Jugendlichen die Aspekte auf einem Plakat, die zur Persönlichkeit gehören. Im „Mosaik meiner Persönlichkeit“ hatten die jungen Menschen daraufhin die Möglichkeit zu definieren: Was macht mich aus? Und in einem zweiten Schritt eine Zukunftsvision ihrer selbst zu entwickeln. Ein Prozess, der nie endet, wie die Musiktheaterpädagogin den Jugendlichen mit auf den Weg gab. „Es geht nicht um den perfekten Endzustand meines Ichs, denn man ist nie fertig. Jeder Tag ist eine neue Entscheidung“, machte sie den Start-off-Jugendlichen Mut.

Kostenloser Service zur Vor- oder Nachbereitung

„Ich freue mich, wenn die Jugendlichen von dem Theaterstück angesprochen wurden und es zu einer Erfahrung wird, die irgendetwas mit ihnen macht, eine Form von Reaktion auslöst“, sagt Philine Korkisch, die allen Schüler*innen als kostenlosen Service einen Nachbereitungsworkshop anbietet. „Es ist schön, wenn es nicht versandet.“ Daher beantwortet sie in den Workshops gerne alle Fragen zur Inszenierung und diskutiert mit den Teilnehmenden unter anderem, wie sich die zentralen Aspekte auf ihr eigenes Leben anwenden lassen. Und das bei den Start-off-Jugendlichen mit Erfolg, wie Berufspraktikantin Mieke Harms beobachtet hat. „Sie haben Denkanstöße mitgenommen und das Gesehene nicht nur reflektiert, sondern auch eng auf sich selbst bezogen“, sagt Mieke Harms. „Es gibt kein Patentrezept. Jede*r hat eine andere Persönlichkeit“, gab Philine Korkisch den Jugendlichen zu bedenken. Darin sieht sie auch den Vorteil eines Theaterbesuchs. „Das Theater bietet viele Interpretationsebenen, man bekommt nicht die eine Lösung präsentiert. Jede*r kann etwas für sich herausziehen und das kann für jede*n etwas anderes sein.“

Die Musiktheaterpädagogin ermutigte daher die Jugendlichen, sich noch einmal andere Genres auf der Bühne anzuschauen. In der nächsten Spielzeit gibt es dazu wieder die Möglichkeit. Ab September bringt das Junge Theater Detmold unter anderem ein neues Stück für Jugendliche ab 14 Jahren auf die Bühne. Auch hier gilt wieder die Einladung, die kostenlosen Workshops zur Vor- oder Nachbereitung zu buchen – im Jungen Theater oder in der eigenen Einrichtung. Gemeinsam sprechen die Theaterexpert*innen mit Schulklassen, Kindergartengruppen, Lehrer*innen oder interessierten Gruppen über die Wirkung und zentralen Aspekte der jeweiligen Inszenierungen.