Jugendliche begeben sich für neue Gutshofbewohner auf eine Lernreise
Der Kolping-Gutshof in Großeneder hat erneut tierischen Zuwachs bekommen. Mitte Juni bezogen drei Hühner und ein Hahn ihr Domizil im westlichen Teil des alten Schweinestalls. Profitieren wird der Hof nicht nur von der Legefreudigkeit der neuen Gutshofbewohner und der Interaktion mit ihnen, sondern den eigentlichen Benefit haben die Jugendlichen, die zusammen mit ihrem Projektleiter Michael Dorau das „Hühnerprojekt“ verwirklichten. Ihre Lernreise führte die Teilnehmenden der „Start-off“-Maßnahme durch den gesamten Fächerkanon, von Mathematik bis Religion – und das projekt- und handlungsorientiert.
Die Start-off-Jugendlichen haben zusammen mit Projektleiter Michael Dorau das „Hühnerprojekt“ verwirklicht. Das Huhn und seine Haltung – darum drehte sich der Lernalltag der Jugendlichen, immer wenn der pensionierte Schulleiter dienstags auf den Gutshof kam. Wie baut man einen Hühnerstall? Was braucht man für die Hühnerhaltung? Welche rechtlichen Bedingungen müssen erfüllt werden? Viele theoretische Grundlagen gab es für die Planungen zu erörtern, bevor in der zweiten Maiwoche der Startschuss für die Bauarbeiten für den Hühnerstall, inklusive Auslaufgehege und Innengehege, fiel. Dass die Jugendlichen dabei ihre Kenntnisse in Biologie erweitern, wenn es um Fragen rund um Ernährung, Lebensweise und Haltung, Fortpflanzung, Feinde und Krankheiten geht, ist selbsterklärend. Auch technische Erfordernisse wie Werkzeug- und Materialkunde, technisches Zeichnen, Messen, Ablängen und Fügen liegen bei einem handwerklichen Unterfangen auf der Hand. Auch ohne Mathematik – der sichere Umgang mit Maßeinheiten, Flächen- und Volumenberechnung, Tabellenkalkulation und Erstellen von Diagrammen – geht es nicht, um beispielsweise zu wissen, wie viel Holz benötigt wird.
Vermehrung, Vermarktung, Verrentung der Hühner
Doch das, was die Jugendlichen mit Kopf, Herz und Hand – immer noch – lernen, umfasst noch mehr. Zur Dokumentation protokollierten die Mädchen und Jungen ihre Arbeitsschritte und übten sich in Vorgangsbeschreibungen, sie erarbeiteten Fachtexte für Infotafeln und lernten einiges über Schriftverkehr. Schließlich mussten Angebote eingeholt und Aufträge erteilt werden. Das mündete in die wirtschaftliche Komponente rund um Preiskalkulation, Führen von Haushaltsbüchern und Rentabilitätsberechnungen. Denn auch die Vermarktung der Eier steht auf dem Lehrplan. Sechs Hühner beispielsweise legen im Monat 150 bis 170 Eier – „davon können vier Familien leben“, weiß Michael Dorau, der zuhause selbst Hühner hält. Und bei der kleinen Hühnerfamilie soll es nicht bleiben. „Sie dürfen sich vermehren“, stellt Dorau in Aussicht. Locker ein Dutzend Hühner können künftig – artgerecht – auf dem Gutshof scharren und sich von den Menschen betüddeln und trainieren lassen. Und was erwartet die Hühner, die nicht mehr „berufstätig“, also nicht mehr legefähig sind? Ist es überhaupt legitim Hühner als Wirtschaftsfaktor zu betrachten? Welche Verantwortung trägt der Mensch für das Tier? „Da kommt das Fach Religion mit seinen ethischen Fragen ins Spiel“, erklärt Dorau, der von Katrin Rauber, einst auch Kollegin an der Warburger Petrus-Damian-Schule, für die Maßnahme „Start-off“ gewonnen wurde.
Ende der Lernreise noch nicht in Sicht
Wichtig war Michael Dorau für die Projektarbeit mit den schulmüden Jugendlichen: Sie wurden bei allen Schritten aktiv beteiligt, der Planung, Installation und dem Unterhalt. Zudem wurden die Arbeitsschritte möglichst parallel ausgeführt, damit alle „dabei“ bzw. immer beschäftigt waren. Und die Mädchen und Jungen waren begeistert von ihrer neuen Herausforderung. „Sie waren ganz wild, tätig zu werden und Hand anzulegen“, schildert Dorau. „Sie freuen sich über alles, was anders als klassischer Unterricht ist.“ Mit Eifer haben sie sich in die Recherche zur geeigneten Rasse gestürzt. „Sie haben Rassen ausfindig gemacht, von dessen Existenz ich gar nichts wusste“, sagt Dorau. In der Hühnerwelt geht man von 180 anerkannten Hühnerrassen aus. Auf dem Kolping-Gutshof sollen künftig zwei verschiedene Hühnerrassen eine Heimat finden. Den Start machten Brahma-Hühner – ein Geschenk von Stephan Gehrendes. „Das Brahma gilt als gutmütige, ruhige und schnell zutrauliche Rasse“, erklärt Katrin Rauber. Und damit ist bereits neue Arbeit für die Jugendlichen in Sicht: Die Legeleistung wird ab Herbst, wenn die Brahma-Hühner ausgewachsen sind, täglich protokolliert und statistisch ausgewertet werden. Ändert sich das Gewicht der Eier? Legen die Tiere das ganze Jahr gleichbleibend viele Eier? Auch nachdem die neuen Bewohner auf dem Gutshof eingezogen sind, bleibt also noch allerhand zu lernen und zu tun. Denn nicht zuletzt müssen die Hühner täglich versorgt und auch für ihren Zweitjob – dem Einsatz im Rahmen der tiergestützten Arbeit – trainiert werden.