Tiergestützte Pädagogik mit Hühnern
Schlaue Tiere faszinieren durch Lautvielfalt und Gefieder
Eierlegen, das kommt den meisten als Erstes in den Sinn, wenn sie an Hühner denken. Wenige wissen, dass die Tiere noch viel mehr können und wie spannend die Begegnung mit ihnen sein kann. „Faszinierend“ findet Anna Mühling die Brahma-Hühner auf dem Kolping Gutshof in Großeneder. Die Tiertrainerin arbeitet seit etwa zwei Monaten mit den Hühnern daran, dass ihre Freude an der Zusammenarbeit mit dem Menschen wächst. Denn das Spektrum der tiergestützten Pädagogik mit Hühnern ist groß. „Ein spannendes Erlebnis für alle Altersklassen“, schwärmt die Tiertrainerin, für die die Hühner selbst auch Neuland waren.
Stolz ist das Gutshofteam, dass sich die Hühner trauen, Futter aus der Hand zu picken. Foto: Jana Sudhoff Für die Gutshof-Hühner – StepHahn, Kiki, Henna und Hildegard – war indes die Anwesenheit von Menschen neu. Sie sind Fluchttiere – sie rennen weg und verstecken sich, wenn sie Gefahr wittern. Daher galt es zu Beginn des Trainings „lediglich“ ihnen zu zeigen, dass die Anwesenheit des Menschen nicht bedrohlich ist. So plante die Tiertrainerin, die auf dem Gutshof unter anderem in der „Pädagogik-Begleithunde-Ausbildung“ arbeitet, regelmäßig Zeit ein, um ein paar Minuten im Auslauf der Hühner zu sitzen. Oberste Prämisse für die Begegnung mit ihnen: langsame Bewegungen und Ruhe ausstrahlen.
180-Grad-Wendung vollzogen
Viel Zeit, Geduld, Ruhe und gutes Futter halfen, um das Vertrauen der Hühner zu gewinnen. Ruhig hinsetzen und abwarten, bis sie sich wieder entspannt bewegen. Immer eine Leckerei dabeihaben. Sie sacht ein bisschen in die richtige Richtung schieben. Sie davon überzeugen, dass es lohnenswert ist, sich unter den freien Himmel zu trauen. „Kleinschrittig sind wir immer etwas weitergekommen. Hahn und Hennen werden so immer mutiger, aber auch weil sie sich wohlfühlen und das Tempo mitbestimmen können“, berichtet Anna Mühling. Haben die Hühner anfangs in menschlicher Nähe die größtmögliche Entfernung gewählt und sich noch nicht einmal in den Innenauslauf getraut, so haben sie jetzt eine 180-Grad-Wendung vollzogen: Sie kommen erwartungsvoll angerannt, sobald sie einen Menschen sehen. Super stolz sind das Hofteam und die Jugendlichen über die Entwicklung der Tiere: das erste gelegte Ei, der erste Ausflug aus dem Stall und das Futterpicken aus der Hand.
Dadurch haben sich die Einsatzmöglichkeiten der tiergestützten Intervention vergrößert. Was spüre ich, wenn mich die Hühnerschnäbel berühren? Wie kann ich meine Empfindungen beschreiben? Nehme ich es als ungewohnt wahr? Als intensiv? „Für mich fühlt es sich an, als wenn man mit einem Kugelschreiber in die Hand pickt“, schildert Anna Mühling das Erlebnis. „Vielen Menschen sind Hühner als Nutztiere auf dem Bauernhof oder im Garten bekannt, aber die wenigstens haben ein Huhn schon mal aus der Hand gefüttert oder ihm einen Trick beigebracht“, beschreibt Aspekte der tiergestützten Intervention. Aber auch die Bewegungen und das Zusammenspiel von Hahn und Hennen zu beobachten, ist ein spannendes Erlebnis. Doch das Faszinierendste für die Tiertrainerin: „die vielen unterschiedlichen Töne, die die Hühner von sich geben. Ich könnte mich stundenlang hinsetzen und ihren Unterhaltungen zuhören.“ Da gibt es beispielsweise den Sicherheitston, mit dem StepHahn seine Hennen zur Vorsicht mahnt. Da gibt es schrillere Töne, wenn sich die Tiere unwohl und beunruhigt fühlen. Da gibt es die warmen und entspannten Töne, wenn sie miteinander kommunizieren.
Beeindruckend ist auch die Rasse: Mit einer Höhe von mehr als 70 Zentimetern wirken die Brahma-Hühner imposant und nicht so zart wie manche Artgenossen. Und nicht nur ihre ausgeprägte Fußbefiederung fällt auf, auch die glänzenden Federn und die unterschiedliche Zeichnung jedes Tieres sind wunderschön anzuschauen. Ausgewachsen sind die vier Brahma-Hühner, eine der größten Hühnersorten weltweit, noch nicht. Ende des Jahres werden die Riesenhühner ihren „Erwachsenenstatus“ erreicht haben.
Bis dahin wartet bereits die nächste Aufgabe: die Vergesellschaftung mit den Schafen. Bisher sind Schafe und Hühner im Außenbereich noch durch einen Zaun getrennt. Langfristig sollen sie aber gemeinschaftlich grasen bzw. scharren.
Kleine Tricks sorgen für Abwechslung im Alltag
Ein kleines Repertoire an Tricks dürfen die Hühner auch lernen: durch Reifen hüpfen, auf den Schoß kommen oder mit dem Schnabel gezielt Sachen anpicken. „Hühner sind hochintelligente Tiere und lernen sehr schnell“, sagt Anna Mühling. Die Tricks sind als kleine Highlights gedacht, um Abwechslung in den Hühneralltag zu bringen. „Fast den gesamten Tag verbringen die Hühner aber weiterhin mit Scharren, Eier legen und allem anderen, was das Hühnerherz begehrt“, sagt Anna Mühling,
Eine wichtige Rolle in der tiergestützten Intervention haben StepHahn, Henna, Kiki und Hildegard bereits jetzt. „Sie bieten ein Abenteuer, wenn es um das Füttern aus der Hand geht“, berichtet Anna Mühling. Wer sich nicht traut, ihnen die Hand hinzustrecken, kann ihnen das Futter alternativ in einer kleinen Schüssel oder auf einem Kochlöffel hinhalten. „Sie sind aber auch Mutmacher, denn sie haben ihre Scheu vor dem Menschen abgelegt“, sagt die Tiertrainerin, die gespannt auf weitere Entwicklungen ihres tierischen Projekts blickt: „Es erfüllt mich, die Entwicklung der Tiere zu begleiten und ich freue mich zu sehen, wie viel Freiheit die Hühner gewonnen haben und wie neugierig sie geworden sind.“