Vom eigenen Lebensweg überrascht

Sebastian Böhlen profitiert bei Umschulung von großer Symbiose

„Ich hätte mir vor zehn Jahren nie vorstellen können, dass ich Erzieher auf einem Bauernhof bin“, sagt Sebastian Böhlen: „Meine Zukunftsplanung geht nie weiter als zwei Jahre im Voraus.“ Doch dann hat seine berufliche Kehrtwende alleine in den letzten drei Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. Heute hat der gelernte Industriemeister seine Berufung gefunden: die Arbeit mit Jugendlichen. Dabei griff ein (Kolping-)Rad ins andere: Bereits drei Mal hat Sebastian Böhlen auf dem Weg zum Erzieher bzw. Sozialarbeiter in Kolping-Institutionen eine Anlaufstelle gefunden: als Schüler, als Student und als Angestellter. Eine Symbiose, von der der 33-Jährige profitiert.

Sebastian Böhlen hat seine Berufung in der Jugendarbeit gefunden und sieht in der Kolping Hochschule und im Kolping Schulwerk gute Partner. Sebastian Böhlen hat seine Berufung in der Jugendarbeit gefunden und sieht in der Kolping Hochschule und im Kolping Schulwerk gute Partner. Foto: Jana Sudhoff Der Türöffner in die Kolping-Welt war für ihn das Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg (TGB) in Rimbeck, wo er für seine Erzieherausbildung die Schulbank drückte. Mareike Gördemann, damals stellvertretende Schulleiterin, machte ihm ein paralleles Studium für „Soziale Arbeit“ an der Kolping Hochschule für Gesundheit und Soziales schmackhaft. Auch für das Anerkennungsjahr fand sich eine kolpinginterne Option: Der 33-Jährige stieß auf dem Kolping Gutshof in Großeneder zum pädagogischen Team der Start-off-Maßnahme. Der Funke für die Arbeit an dem außerschulischen Lernort war übergesprungen, als er hier für sein Studium die sechswöchige Praxiszeit absolvierte. 

Alles anschauen – dann aussortieren

Erst während seiner Ausbildung hat der gebürtige Warburger gelernt, wie viele Arbeitsfelder der Erzieherberuf eröffnet. Seine Umschulung wollte der Packmitteltechnologe daher als größtmögliche Chance wahrnehmen, um sämtliche Tätigkeitsbereiche auszuprobieren. Und nutzte auch seine Sommerferien für ein Hospitations-Potpourri: im Kindergarten, in einer OGS, in einer Tagesgruppe, in der offenen Jugendarbeit im Jugendzentrum, in einer stationären Wohngruppe, im Rahmen von Orientierungstagen mit Schulklassen im Kloster und auf dem Kolping Gutshof. „Meine Idee war, mir alles anzuschauen, um dann auszusortieren.“ Das stellte sich als schwerer raus als gedacht: „weil ich alles ganz gut fand“. Ein Coaching öffnete ihm die Augen für den richtigen Weg: die Arbeit auf dem Hof. Nicht nur wegen der tiergestützten Arbeit, sondern besonders wegen der Jugendlichen. Was die Arbeit so spannend macht? „Man verbringt jeden Tag mit den Jugendlichen, aber man gerät jeden Tag in völlig neue Situationen und Konstellationen“, sagt der Erzieher, der ursprünglich einmal hatte Physiker werden wollen. Gerade die Jugendlichen aus der Start-off-Maßnahme bilden eine heterogene Gruppe mit ganz unterschiedlichen Problemen und Symptomatik – abgesehen von der Lebensphase, die ohnehin eine Reihe spannungsvoller Entwicklungen mit sich bringt, sagt Sebastian Böhlen, der im Herbst ins vierte Fachsemester „Soziale Arbeit“ an der Kolping Hochschule startet.

Dreidimensionalität für den Beruf

Durch das Studium bekommt der Erzieher noch einmal eine ganz andere Sichtweise – einen zweiten Blickwinkel mit der Brille eines Sozialarbeiters – auf seine Tätigkeit. „Das bringt eine gewisse Dreidimensionalität in den Job“, freut sich der 33-Jährige, der nach seinem Anerkennungsjahr auf dem Gutshof als Betreuer für die neue Take-off-Maßnahme übernommen wurde. Vom Praxistransfer zwischen Hochschule und Arbeit profitiert Sebastian Böhlen regelmäßig. Praxisbeispiele und Theorien, die an der Uni besprochen werden, kann der Gutshof-Mitarbeiter in manchen Situationen direkt auf dem Hof anwenden, um sie besser zu verstehen. Der enge Praxisbezug ist für Sebastian Böhlen, der bereits einmal begonnen hatte an der Fernuni Hagen berufsbegleitend zu studieren, nicht der einzige Benefit der Kolping Hochschule.

Das große Plus sind für den Studenten aus Warburg die geringe Gruppengröße in der Vorlesung, die Regelmäßigkeit – zwei bis drei Mal in der Woche – der digitalen Veranstaltungen, die enge Betreuung durch die Studienberatung und der direkte Kontakt zu den Professoren. „Die Engmaschigkeit hilft mir am Ball zu bleiben.“ Auch die Vielfalt an Prüfungsformaten kommt Sebastian Böhlen entgegen. „Es ist kein reines Klausuren- oder Seminararbeitenschreiben, sondern es gibt ein buntes Feld, zum Beispiel Lerntagebücher, Präsentationen, E-Portfolios. „Das wirkt entzerrt.“ Die Kolping Hochschule ist für Sebastian Böhlen ein guter Anlaufpunkt für die berufliche Weiterbildung und das Kolping Schulwerk ein bestärkender Arbeitgeber, der ihn mit einem Stipendium unterstützt.

Im fließenden Übergang kann der Erzieher nun in der Take-off-Maßnahme durchstarten. „Ich denke, durch das Kolping-Netzwerk und ergänzende Angebote der pädagogischen Arbeit auf dem Gutshof wird es immer Möglichkeiten geben, sich noch weiterzuentwickeln oder in der einen oder anderen Maßnahme hier zu bleiben“, blickt Sebastian Böhlen auf eine möglicherweise längere Zukunft in der Kolping-Welt – auch wenn er nie länger als zwei Jahre vorausplant.