Rüstzeug für die Grundschule

Pensionierte Lehrerin engagiert sich für die angehenden Schulkinder

„Für mich ist jeder Tag hier ein Geschenk.“ Hadeburg Pfeifer kommt einmal in der Woche ehrenamtlich in die Kolping Kindertageseinrichtung im Generationenhaus in Borchen, um ihre Zeit mit den angehenden Schulkindern zu verbringen. Dabei genießen sowohl die pensionierte Konrektorin als auch die zehn Mädchen und Jungen die gemeinsamen Stunden im Schulkinderprojekt. Das Herzensanliegen der ehemaligen Grund- und Hauptschullehrerin ist es, den Kindern zu helfen, sich nach den Sommerferien leichter in der Schule zurechtzufinden. Dabei stehen nicht rechnen, lesen oder schreiben lernen auf ihrem „Stundenplan“. Die ehemalige Lehrerin hat ein auf die Herausforderungen beim Grundschulstart abgestimmtes „Vorspiel zur Schule“ entwickelt. 

Mit Feuereifer singen die angehenden Schulkinder in der Kindertageseinrichtung im Generationenhaus in Borchen zusammen mit Hadeburg Pfeifer und verfestigen dabei das ABC. Mit Feuereifer singen die angehenden Schulkinder in der Kindertageseinrichtung im Generationenhaus in Borchen zusammen mit Hadeburg Pfeifer und verfestigen dabei das ABC. Foto: Jana Sudhoff

Sie weiß aus der Erfahrung ihrer Lehrtätigkeit in Baden-Württemberg: In der ersten Grundschulklasse kämpfen die Lehrkräfte mit einem enormen Entwicklungsunterschied ihrer ABC-Schütz*innen. Ein Spagat, der bis zu drei Entwicklungsjahre überbrücken muss. Wenn die Seniorin heutzutage in die Kita an die Schützenstraße kommt, hat sie für ihre Schützlinge eine Bandbreite an Rüstzeug im Gepäck, das in der Schule – über die Lerninhalte hinaus – wichtig ist. Und auch nach ein- bis eineinhalb Stunden Dauerbeschäftigung haben die Kleinen meist immer noch nicht genug davon.

Sie kapitulieren auch nicht, als einer von ihnen das hölzerne „X“ aus dem Beutel zieht und es gilt X-Wörter zu finden: XXL, Xylophon, Hexe, Felix – die Schulkinder sind auch bei einem der schwierigsten Buchstaben des Alphabets nicht zu bremsen. Wie viel Applaus kriegt die Ananas? Und Abrakadabra? Schnell haben die Kinder herausgefunden, dass der Südfrucht ein dreimaliger Applaus gebührt und sie für die Zauberformel fünf Mal klatschen müssen. Am Ende der Projekteinheit hat auch jedes Kind den richtigen Platz für die neun ausgeschnittenen Tierkarten gefunden: Auf dem Arbeitsblatt sind alle Kamele, Elefanten, Marienkäfer & Co. richtig einsortiert – so aufmerksam haben sie der Geschichte mit den tierischen Platzanweisungen zugehört.

Der Schule nichts vorwegnehmen

Alle zehn Minuten hat Hadeburg Pfeifer einen Methodenwechsel vorbereitet, damit den Kindern nicht die Luft bzw. Konzentration ausgeht. Und so haben sie beispielsweise wie ein Känguru getanzt, Burgen und Einhörner ausgemalt, zum ABC-Haus gerappt und dem ersten Schultag des kleinen Drachen Kokosnuss gelauscht und erfahren, dass es die Panama Stachelbaumratte wirklich gibt. Farben differenziert wahrnehmen, geometrische Formen unterscheiden, Muster erkennen, Folgen fortsetzen, freies Erzählen in zusammenhängenden Sätzen – das Spektrum der kleinen Herausforderungen ist groß und vielfältig.

„Ich mache nichts, was Schule vorausnimmt“, betont die Ehrenamtlerin. Vielmehr geht es ihr darum, die Wahrnehmung und logisches Denken zu schulen, Aufmerksamkeit, Ausdauer und Konzentration zu fördern, die Motorik zu verfeinern, das Zuhören zu kultivieren. Sich am Schultisch mit mehreren Kindern und allen Materialien sortieren, über eine gewisse Zeitdauer nach Anweisung arbeiten, einen Ordner führen, lernen auf andere Rücksicht zu nehmen – auch dies sind unter anderem wichtige Kompetenzen, die in der Schule gefragt sind, die Hadeburg Pfeifer mit den Kita-Kindern einübt.

„Man muss den Kindern Zeit lassen“

„Es geht nicht um richtig oder falsch. Die Ergebnisse werden nicht kommentiert“, betont die pensionierte Lehrerin, deren Enkelkinder auch in die Kolping Kita im Generationenhaus Borchen gehen. Über diesen Kontakt hatte sich das Schulkinderprojekt angebahnt. Im vergangenen Jahr hatte Hadeburg Pfeifer ihr ehrenamtliches Engagement in der Kita begonnen. Jetzt nähert sich bereits der zweite Durchgang seinem Ende. Und damit passt sie perfekt in das Konzept der Kindertageseinrichtung als Generationenhaus. „Ich freue mich, dass ich als Seniorin an der Schnittstelle zwischen Alt und Jung meinen kleinen Beitrag leiste – so wie viele andere Senior*innen im Haus.“

Für Hadeburg Pfeifer zudem eine Win-win-Situation: Die Kinder ein kleines Stück auf ihrem Weg zu begleiten – eine schönere Aufgabe kann sich die 68-Jährige in ihrem Ruhestand nicht vorstellen. „Mir fehlen die Kinder“, sagt die Pensionärin. Was ihr nicht fehlt aus ihrem Berufsleben als Konrektorin sind die zeitraubenden Konferenzen, Absprachen mit dem Schulamt, die Elterngespräche und der Notendruck für die Kinder. „Ich genieße die Freiheit, nur mit den Kindern zu arbeiten, ohne sie bewerten zu müssen“, schwärmt die Ruheständlerin. „Die Kinder gehen schon ihren Weg. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Man muss den Kindern Zeit lassen“, lautet der Glaubenssatz von Hadeburg Pfeifer.

Für Kitaleiterin Ulrike Wapniarz ist das ehrenamtliche Engagement von Hadeburg Pfeifer ein Glücksgriff. „Natürlich gibt es in der Kindertageseinrichtung viele Projekte mit Schulkindern.“ Dazu gehören ein Waldprojekt, das Zahlen- und Buchstabenland, ein Schulkinderausflug, eine Schulkinderübernachtung sowie Extraausflüge, z. B. bei der Feuerwehr im Rahmen der Brandschutzerziehung. „Aber dass jemand von außerhalb kommt – in der Kombination, dass dies eine ehemalige Lehrerin ist –, das ist außergewöhnlich. Und den Kindern macht es unheimlich viel Spaß.“