Vier Vorstellungen voller Erfolgsgeschichten
TGB-Varieté zeigt bunte Vielfalt und Inklusion par excellence
Spektakuläre Auftritte bekam das Publikum beim „Varieté auf Augenhöhe“ im Zirkuszelt am Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg (TGB) in Rimbeck zu sehen. Bunte Vielfalt und Inklusion pur: Der jüngste Nachwuchsartist stand mit fünf Jahren auf der Bühne, die älteste Akteurin der Projektwoche zählte 89 Jahre. Menschen mit und ohne Einschränkungen und aus unterschiedlichsten Nationen hatten sich vom Team des Zirkus „Showkolade“ in die hohe Kunst der Akrobatik, Clownerie, Seiltanz, Feuershow, Jonglage, Hula-Hoop, LED-Pois-Performance und Musikshows einweisen lassen. In den Vorführungen zeigten sie, wie sehr sie alle in dieser Projektwoche über sich hinausgewachsen sind.
Eine bunte Vielfalt an spektakulären Auftritten bekam das Publikum beim „Varieté auf Augenhöhe“ im Zirkuszelt am Theresia Gerhardinger Berufskolleg (TGB) in Rimbeck zu sehen. Fotos: Jana Sudhoff
Eine Woche lang hatte das TGB ein „Riesen-Theater“ auf dem Schulhofgelände. Zum Auftakt hatte Familie Frank vom Zirkus „Showkolade“ den Artist*innen in spe eine kleine Kostprobe des Showportfolios vorgeführt, um sie mit der Zirkusluft zu infizieren. Ihre Vorlieben konnten die Projektteilnehmer*innen – Lehrer*innen und Schüler*innen des TGB und Menschen aus den Einrichtungen ihrer Kooperationspartner – in Workshops erkunden, bevor es ans Eingemachte ging. In vier Gruppen – je ein Team für eine Vorstellung – wurde sodann drei Tage lange geprobt. Drei Tage, in denen der Gemeinschaftsgeist gewachsen und ein Showprogramm entstanden ist, das zeigt, wie eine inklusive Gesellschaft idealerweise aussehen könnte.
89-Jährige steigt ins Luftakrobatiknetz
Die Herzen des Publikums erobert hat der 70-jährige Edgar aus der Wohngruppe der bdks (Baunataler Diakonie Kassel) in Wolfhagen. Unbeirrt setzte er auf dem Seil mit seinen Sandalen einen Schritt vor den anderen. Er selbst war so beeindruckt von dem Abenteuer Varieté, dass er Zirkusdirektor Hartmut Peter bat, beim großen Finale eine „kleine Rede“ halten zu dürfen: „Ich habe das noch nie gemacht in meinem Leben. Und es waren schöne Mädels, die ich hatte.“ Seine mehrheitlich weiblichen Seiltanz-Mitstreiterinnen hatten bei seinem Auftritt kräftig mitgefiebert und sich mit einer herzlichen Umarmung gemeinsam mit ihm über den erfolgreichen Balanceakt gefreut.
Der Auftritt von Josef Grabbe und seinem Schülerteam mit den Damen aus dem Altenwohn- und Pflegeheim St. Vincentius war nicht nur auf der Bühne eine inklusiv-schöne Mischung. In der Manege hatte er mit den ältesten Teilnehmerinnen des Varietés einen bunten Tellerstrauß in Schwung gebracht. Die Seniorinnen waren so begeistert von ihrem Ausflug auf die Showbühne, dass sie Josef Grabbe direkt für bunte Nachmittage in ihrer Einrichtung „engagierten“ – Inklusion, die Früchte trägt. „Das ist die größte Anerkennung, die man bekommen kann, wenn man Dankbarkeit erfährt und die Menschen Spaß dran hatten“, sagt Josef Grabbe, der bereits vor fünf Jahren im Zirkuszelt gelernt hatte, die Teller zu jonglieren.
Die Zirkuseuphorie hatte die älteste Artistin – eine 89-Jährige aus dem Wohn- und Pflegeheim St. Vincentius – bereits beim Zuschauen so gepackt, dass sie ihre Begleiterin mit dem Wunsch überraschte: „Ich möchte auch einmal fliegen“. Das Zirkusteam machte es möglich und verhalf der Seniorin kurzerhand ins Luftakrobatiknetz, mit dem sie sich furchtlos ein Stückchen abheben ließ.
Mut, Begeisterung und Selbstvertrauen
Hemmschwellen verloren haben auch die Sprachschüler, die zuletzt erst die Schulbank gedrückt hatten, um Deutsch zu lernen und sich jetzt in die Manege vors Publikum getraut haben. „Es ist toll zu sehen, wie die Schüler*innen und Auszubildenden wachsen“, freute sich Mareike Gördemann über die Auftritte der jungen Männer aus ihrem Sprachkurs.
Das Herz ging vielen Zuschauer*innen auf beim Anblick der Kinder, die sich nach ihren Auftritten mit funkelnden und strahlenden Augen stolz vor ihrem Publikum verbeugten und den Applaus genossen.
Genau diese Momente sind es auch für Schulwerk-Geschäftsführerin Eva Klare-Kurtenbach, die das Varieté-Projekt, das von Aktion Mensch gefördert wurde, besonders machen: „Für mich sind das immer die strahlenden Augen der Akteur*innen, die in der Manege über sich hinauswachsen. Sie können auf einmal Dinge, die sie sonst nie ausprobiert hätten. Und die unglaublich stolzen Gesichter ihrer Familien, wenn sie den Mut, die Begeisterung und das Selbstvertrauen spüren, mit denen die Kinder, Senior*innen und Menschen mit Behinderungen in diesen Momenten auf der Bühne stehen.“
Insgesamt rund 1.300 Gäste fieberten an den zwei Aufführungstagen in den vier Vorstellungen mit und belohnten die Leistungen mit einer tollen, stimmungsvollen Atmosphäre und tosendem Applaus. „Das Zusammenbringen verschiedener Generationen bei einem gemeinsamen inklusiven Varieté-Projekt ist einmalig im Kreis Höxter“, betont Hartmut Peter, der zusammen mit Christiane Leck die vier Veranstaltungen moderiert hatte. Der Schulleiter war es auch, der das Zirkusprojekt bereits vor fünf Jahren erstmals am TGB auf die Beine gestellt hatte: „Inklusion kann hier lebendig und erfolgreich realisiert werden. Dabei ist Inklusion eine Frage der Haltung und beginnt im Kopf.“
Auch wenn der Direktor die Manege in Richtung Ruhestand verlässt, wird das Herzensprojekt des scheidenden Schulleiters weiterleben. In fünf Jahren, zum 100-jährigen Bestehen des TGB, wird der Zirkus das nächste Mal seine Zelte auf dem Schulhofgelände aufschlagen: Manege frei für ein neues inklusives Kleinkunstprojekt voller Erfolgs- und Mutgeschichten und vieler Gänsehautmomente.